In Südtirol kommt das Zwei-Pässe-Modell nicht gut an.

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Sie wollten den Südtirolern einen Wunsch erfüllen: So lautete die Begründung von ÖVP und FPÖ, als sie sich in ihrem Koalitionsvertrag 2017 für eine Doppelstaatsbürgerschaft für Südtiroler aussprachen. Allein, diesen Wunsch scheint es gar nicht zu geben: Laut der ersten repräsentativen Umfrage zum Thema ist eine Mehrheit der Südtiroler gegen die Einführung der Doppelstaatsbürgerschaft. Nur fünf Prozent halten sie für eine "sehr gute Idee", 20 Prozent für eine "gute Idee", 63 Prozent hingegen stufen das Vorhaben für "problematisch" oder gar als "völlig abzulehnen" ein.

Die Umfrage, die im Auftrag der Michael-Gaismair-Gesellschaft Bozen durchgeführt wurde, unterschied auch nach Muttersprache der Befragten. Dabei zeigt sich, dass auch die deutschsprachigen Südtiroler keine Doppelstaatsbürgerschaft befürworten. Nur sechs Prozent halten es für "eine sehr gute Idee" 62 Prozent der Deutschsprachigen sehen das Vorhaben kritisch. Als Motiv für die skeptische Haltung sieht Co-Studienleiter Günther Pallaver die Befürchtung, dass eine Doppelstaatsbürgerschaft das Zusammenleben in Südtirol gefährden würde.

ÖVP und FPÖ blieben hingegen auch nach dem Platzen der türkis-blauen Koalition bei ihrem Plan: Vor einem Monat brachten ÖVP und FPÖ einen Entschließungsantrag im Nationalrat ein, mit dem der Innenminister aufgefordert wird, das Projekt Doppelstaatsbürgerschaft weiterzuverfolgen.

Zoff zwischen Wien und Rom

Für zukünftige Verhandlungen zwischen Österreich und Italien könnte die aktuelle Studie neuen Konfliktstoff bedeuten. Schon die vorige italienische Regierung hatte Kritik an Österreichs Vorstoß geäußert, diese ablehnende Haltung habe sich auch nach dem Regierungswechsel in Rom nicht geändert, sagt Pallaver. Einseitige kollektive Verleihungen von Doppelstaatsbürgerschaften hätten auch in anderen Ländern, etwa im Ungarn Viktor Orbáns, bereits für heftige diplomatische Verwirrungen gesorgt, sagt Staatsbürgerschaftsexperte Rainer Bauböck vom European University Institute in Florenz.

Dass sich Österreichs Regierungen, von der Südtirol-Frage abgesehen, bisher äußerst hart gegen Doppelstaatsbürgerschaften positioniert hatten, sorgt bei den Experten für Kritik. In den 1960er-Jahren seien doppelte Staatsangehörigkeiten "etwas Verpöntes" gewesen, sagt Bauböck, diese Einstellung habe sich aber in den meisten europäischen Staaten geändert, die Mehrzahl erlaube Doppelstaatsbürgerschaften, zudem seien die Einbürgerungshürden gesenkt worden. Nicht so in Österreich: Hier wurde der Zugang zur Staatsbürgerschaft sogar weiter erschwert.

Das kritisiert auch Jürgen Em vom Weltbund der Auslandsösterreicher, der rund 540.000 im Ausland lebende österreichische Staatsbürger vertritt. "Viele würden sich gern in dem Land, in dem sie leben, einbürgern lassen", sagt Em – aber die Auflage, dass man dann zugleich die österreichische Staatsbürgerschaft ablegen muss, schrecke viele davon ab. (Maria Sterkl, 23.10.2019)