Weil ihm das Thema am Herzen liegt, marschiert Adrian B. regelmäßig bei den Klimademos mit. Der 18-Jährige hat auch seine vorwissenschaftliche Arbeit zu Bauwerksbegrünung geschrieben. Derzeit macht er ein freiwilliges Umweltjahr und gärtnert im Wiener Augarten. Danach will er ein Studium mit Fokus Umweltschutz beginnen. Gibt es durch Bewegungen wie Fridays for Future mehr Zulauf zu einschlägigen Studienrichtungen? Schließlich sind es gerade die Schülerinnen und Schüler, die für die Umwelt auf die Straße gehen. Adrian B. schließt das nicht aus: "Weil den Leuten jetzt bewusst wird, was klimatisch so passiert, könnte es sein, dass sie etwas in die Richtung inskribieren."

Beim "Earth Strike" im September protestierten österreichweit mehr als 65.000 Personen für besseren Klimaschutz, laut Organisatoren waren es sogar 150.000. Allein in Wien gingen laut Exekutive rund 30.000 vor allem jugendliche Teilnehmer auf die Straße.
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Ähnlich sieht das Martin Unger vom Institut für Höhere Studien (IHS). Wie alle gesellschaftlichen Trends werde sich auch das Interesse für Umweltfragen früher oder später in den Studierendenzahlen bemerkbar machen, vermutet er. An den aktuellen Zahlen lasse sich das zwar noch nicht ablesen – das liege aber mitunter daran, dass sie aus dem Vorjahr stammen. "Und Fridays for Future ist ja erst im Frühling so richtig nach Österreich geschwappt." Unger meint jedoch, dass sich das steigende Interesse jetzt schon, wenn auch etwas anders, manifestiert. "Das Fach muss nicht unbedingt ‚Umwelt‘ im Namen haben." Studierende würden innerhalb sämtlicher anderer Fächer eher entsprechende Schwerpunkte wählen oder ihre Abschlussarbeiten zu dem Thema schreiben.

Das bestätigt ein Anruf bei der Studienberatung der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH): Umweltfragen würden immer mehr in den Fokus rücken, egal in welcher Disziplin, sagt Mariele Friesacher. Philosophen beschäftigten sich etwa stärker als zuvor mit Umweltethik, Politikwissenschafter mehr mit Klimaflüchtlingen oder Maschinenbauer mit Elektromotoren. "Der Grund dafür ist sicherlich, dass die Klimakrise im Freundeskreis und in den Medien sehr präsent ist. Die Studierenden spüren sie in ihrem Alltag."

Dass die Anmeldungen für einschlägige Fächer steigt, bestätigt Friesacher nach Rücksprache mit den Beraterinnen und Beratern der ÖH allerdings nicht. Das könne sich in den kommenden Jahren jedoch ändern "und wird sich wahrscheinlich ändern, weil die Gesellschaft ja immer die Hochschulen beeinflusst und umgekehrt".

Was die Hochschulen sagen

DER STANDARD hat auch die Universitäten und Fachhochschulen um eine Einschätzung gebeten. Aus vielen Antworten geht ebenfalls hervor, dass Umweltschwerpunkte hoch im Kurs stehen. Die Studentinnen und Studenten hätten "ein sehr großes Interesse", berichtet beispielsweise Christian Habel, Professor für Umweltwissenschaften an der Universität Salzburg. "Viele Studierende sprechen mich nach Vorlesungen an und möchten gerne in diesem Bereich ihre Projekte, Praktika und Abschlussarbeiten machen."

An der Salzburger Fachhochschule werden ebenfalls mehr ökologische Themen für Abschlussarbeiten gewählt. So auch an der FH Burgenland. "Dieser Trend hat sich jedoch noch nicht in einem deutlich höheren Zulauf zu unseren Studien in diesem Bereich niedergeschlagen", sagt Gernot Hanreich, Rektor und Leiter des Departments Energie-Umweltmanagement an der FH Burgenland.

Das Interesse an umweltbezogenen Fächern sei schon länger groß – die Nachfrage sei durch Fridays for Future aber nicht unmittelbar gestiegen, heißt es von der Universität Graz. Je nach Hochschule scheint das allerdings un terschiedlich zu sein. Die Universität Innsbruck verzeichnet etwa ein zunehmendes Interesse am Master Umweltingenieurwissenschaften. Eine Ringvorlesung zum Klimaschutz habe mehrfach in einen größeren Saal verlegt werden müssen, weil der Andrang so groß gewesen sei.

Das Interesse am Architektur-Bachelor Green Building sei in den letzten zwei bis drei Jahren um 30 Prozent gestiegen, meldet die FH Campus Wien zurück. "Wir hatten für dieses Semester so viele Anmeldungen wie noch nie", sagt Studiengangsleiter Christian Polzer. Die Bewerbungen für den Bachelor Nachhaltiges Ressourcenmanagement würden ebenfalls stark zunehmen, um etwa 70 Prozent in den letzten zwei Jahren.

Etwas Sinnvolles arbeiten

Der Grund könnte das steigende Bedürfnis sein, im Job etwas "Sinnvolles" zu tun. Bei einer Umfrage von Marketagent.com im Auftrag der Jobplattform Xing sagten rund neun von zehn Arbeitnehmer, dass ihnen das wichtig ist. Gerade Junge scheinen Wert darauf zu legen, wie andere Befragungen zeigen.

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Klimaschutz ist Thema bei Protesten, aber auch an den Hochschulen. Fridays-for-Future-Aktivisten fordern, dass das Thema über alle Fächer hinweg thematisiert wird.
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"Sie merken, dass sie mit der richtigen Ausbildung die Zukunft aktiv mitgestalten können", sagt Martina Gaisch, Hochschulforscherin an der FH Oberösterreich. Gaisch beschäftigt sich in einer Studie damit, wie die Klimademos die Berufswahl beeinflussen. Dafür hat sie 17-jährige Schülerinnen mehrerer HTLs interviewt. Ein Ergebnis davon war auch, "dass sich viele schon für einen Beruf entschieden haben. Sie sehen es eher als Lifestyle, bei den Demos mitzumarschieren."

Viele Hochschulen haben Umweltthemen nicht erst gestern entdeckt. "Elektromobilität ist für die Technischen Unis nicht plötzlich durch Fridays for Future vom Himmel gefallen", sagt der IHS-Experte Unger. Dennoch: Die Bemühungen verstärken sich ganz offensichtlich.

16 österreichische Universitäten haben sich zu der "Allianz nachhaltige Universitäten" zusammengeschlossen. Die Unis, die Teil des Netzwerks sind, haben sich vorgenommen, mehr zum Thema Nachhaltigkeit zu forschen und zu lehren. Im September trat auch die Universität für angewandte Kunst bei. Sie solidarisiert sich ausdrücklich mit der Fridays-for-Future-Bewegung und will "University for Future" werden. Ein Ziel ist, den eigenen CO2-Ausstoß zu verringern. Ein anderes, das Studienangebot im Bereich Nachhaltigkeit auszubauen, wobei darunter nicht nur Klimaschutz fällt, sondern etwa auch Gerechtigkeit.

Beste Chancen in der Technik

Andere Hochschulen schaffen ebenfalls eigene Vorlesungen, Seminare oder sogar ganze Studienprogramme. "Man merkt, dass es immer mehr Auswahl gibt", beobachtet die Studienvertreterin Friesacher. Sie würde es befürworten, wenn der Klimawandel in der Lehre über alle Fächer hinweg thematisiert würde, so wie es die Fridays-for-Future-Aktivisten fordern. Aber ist das auch realistisch?

"Ich denke schon. Es gibt für jede Studienrichtung umweltspezifische Fragestellungen", sagt Friesacher. Auf der Website der ÖH kann übrigens speziell nach Studienprogrammen gesucht werden, die sich Umweltthemen widmen. Auch hier gilt: Die besten Chancen am Arbeitsmarkt haben jene, die sich für ein technisches Fach entscheiden. Green Tech ist nach Einschätzung der Experten ein Zukunftsfeld. (Lisa Breit, 28.10.2019)