Frage: Wie geht es jetzt weiter?

Antwort: Grundsätzlich haben die Abgeordneten Dienstag dem neuen Deal von Premier Boris Johnson mit der EU zugestimmt – sind dabei aber auch auf die Bremse gestiegen. Zwar gaben 329 MPs dem Deal in seiner zweiten Lesung im Unterhaus ihren Sanktus (gegenüber 299 Neinstimmen). Weil sie den rekordmäßig straffen Zeitplan der Regierung mit 322 zu 308 Stimmen aber abgelehnt haben, wird ein Brexit am 31. Oktober – von Johnson bisher mantraartig versprochen – praktisch unmöglich.

Harte Tage für Boris Johnson.
Foto: HO / various sources / AFP

Frage: Hat Johnson eine Niederlage erlitten?

Antwort: Summa summarum war der gestrige Abend für Johnsons Brexit-Plan ein durchaus heftiger Schlag: auch wenn sein Deal letztlich leichter als erwartet die 320-Stimmen-Hürde übersprang, wurde sein Zeitplan deutlicher als gedacht abgelehnt.

Frage: Welche Abgeordneten haben den Ausschlag gegeben?

Antwort: Vor allem die Pro-Brexit-Labour-Abgeordneten, die von Johnson aus der konservativen Fraktion entfernten "Rebellen" sowie die nordirische DUP-Abgeordneten. Letztere stimmten zwei Mal mit Nein, die Brexit-Fans unter den Labour-MPs stimmten zwar dem Deal zu, verweigerten aber dem Zeitplan die Zustimmung.

Frage: Was macht Johnson jetzt?

Antwort: Zuerst wolle er nun mit Brüssel reden, ließ der Regierungschef gestern im Unterhaus verlauten. Er wolle diese Gesetzgebung "pausieren" und abwarten, was die EU ihm in puncto Verschiebung anzubieten hat. In der Zwischenzeit lasse er die Vorbereitungen für einen noch immer im Raum stehenden No Deal intensivieren. No Deal droht nämlich, wenn die EU die Verschiebung des Brexits ablehnt, wovon allerdings nicht auszugehen ist. Dass Johnson jetzt sofort auf Neuwahlen aus ist, dürfte sich letztlich eher als Druckmittel denn als reale Option erweisen. "So oder so werden wir die EU mit diesem Deal verlassen", sagte er gestern.

Frage: Sind Neuwahlen wahrscheinlicher geworden?

Antwort: Wenn die EU auf eine längere Verschiebung drängt, könnte Johnson intensiv auf Neuwahlen pochen. Labour dürfte diesen dann zustimmen, falls ein No Deal weiterhin ausgeschlossen scheint. Die relativ große Mehrheit im Unterhaus für seinen Deal könnte den Premier aber auch motivieren, den Brexit so schnell wie möglich mittels einer flexiblen Verschiebung durchzuziehen und dann als "Macher" in die Neuwahl zu gehen. Vier Wege könnten zu Neuwahlen führen: Erstens könnte Johnson die dafür nötige Zweidrittelmehrheit im Unterhaus hinter sich versammeln, zweitens per einfache Mehrheit in einem neuen Gesetz einen Wahltermin festlegen, und drittens könnte die Opposition per Misstrauensantrag die Minderheitsregierung stürzen oder viertens der Premier dies – dramatischerweise – selbst tun.

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Jean-Claude Juncker (li.) und Donald Tusk haben zu tun.
Foto: EPA/PATRICK SEEGER

Frage: Und was sagt die EU?

Antwort: Bisher nichts Konkretes. EU-Parlamentspräsident David Sassoli hat sich am Mittwoch dafür ausgesprochen, den Briten bis 31. Jänner Aufschub zu gewähren. "Ich halte es für ratsam, so wie von (Rats-)Präsident Donald Tusk vorgeschlagen, dass der Europäische Rat diese Verlängerung akzeptieren sollte", teilte Sassoli in Straßburg mit. "Die Verlängerung würde es dem Vereinigten Königreich erlauben, seine Position zu klären, und es würde dem Europäischen Parlament erlauben, seine Rolle auszuüben", sagte Sassoli. Tusk hatte zuvor erklärt, er werde den verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten eine Verlängerung der Frist empfehlen, um einen ungeordneten Austritt Großbritanniens zu verhindern. Im Gespräch ist seither eine Verschiebung bis zum 31. Januar 2020. Die deutsche Bundesregierung erklärte in einer ersten Reaktion am Mittwoch, eine Verlängerung um einige Wochen mittragen zu wollen. Frankreich reagierte dagegen zurückhaltend. (flon, 23.10.2019)