Der damalige FPÖ-Vize Johann Gudenus bahnte das Treffen mit Strache und einer falschen Oligarchennichte an. Vor Letzterer soll er gewarnt worden sein, behauptet nun ein Freund des Ex-Politikers

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Der einstige FPÖ-Vizeobmann Johann Gudenus soll drei Monate vor dem folgenreichen Abend auf Ibiza vor einer Falle gewarnt worden sein. Ein langjähriger Bekannter, der bestens in Oligarchenkreisen vernetzt ist, teilte Gudenus mit, dass der Lockvogel eine falsche Identität vorgebe. Diese Warnung schlug der ehemalige FPÖ-Politiker offenbar in den Wind. Die Konsequenz daraus war das berühmt-berüchtigte Ibiza-Video, das im Juli 2017 in einer Finca auf der Baleareninsel aufgenommen wurde. Darauf zu sehen sind Gudenus, seine Ehefrau Tajana, der damalige FPÖ-Chef und spätere Vizekanzler Heinz-Christian Strache sowie eine Frau, die sich als Nichte des Oligarchen Igor Makarow ausgab. Anwesend war auch ein Detektiv aus München, der sich als Begleiter der vermeintlichen Oligarchennichte vorstellte.

Doch der Oligarch Makarow hat keine Nichte, er ist ein Einzelkind. Der milliardenschwere Russe wurde durch den Gashandel im postsowjetischen Raum reich. Strache und Gudenus hätten mehrere Möglichkeiten gehabt, im Umfeld von Makarow nachzufragen. So vertritt der Anwalt und Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer nicht nur die FPÖ, sondern auch den Oligarchen Dmitri Firtasch, einen einstigen Geschäftspartner und späteren Rivalen Makarows. Außerdem sind Strache und Gudenus mit dem georgischen Geschäftsmann Levan Pirveli vertraut, der selbst sagt, "ein Freund" Makarows zu sein, und geschäftlich mit dessen Umfeld verbunden war.

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"Er hat keine solchen Verwandten"

Pirveli erzählt dem STANDARD, dass er im Jahr 2017 einige Wochen vor Straches und Gudenus' Reise nach Ibiza mit Letzterem in Kontakt gewesen sei. "Er sagt mir, dass er sich mit einer Aljona Makarowa getroffen hat, einer Verwandten von Makarow und so weiter. Und ich sage ihm: Er hat keine solchen Verwandten, und ich erkläre ihm, warum es das nicht geben kann." Das sagte Pirveli auch vor der Soko Ibiza aus, wie zwei Quellen dem STANDARD bestätigten.

Gudenus dementiert die Vorwürfe vehement. Sein Anwalt Heinz-Dietmar Schimanko verweist auf frühere Interviews mit Gudenus, in denen dieser nach einer Warnung befragt worden sei. Damals sagte der einstige FPÖ-Politiker, dass er kein Foto des Lockvogels gehabt habe und er sich auf Angaben "einer befreundeten Maklerin und eines Wiener Anwalts" verlassen habe – dabei handelt es sich um den Anwalt M., gegen den nun ermittelt wird. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Pirveli soll laut Gudenus' Anwalt ein "gesteigertes Geltungsbedürfnis" haben. Straches Anwalt dagegen will "laufende Ermittlungen nicht kommentieren".

Gerüchte über den Wissensstand von Gudenus kursieren schon seit dem Auftauchen des Ibiza-Videos. Der FPÖ-Politiker sprach selbst von etwaigen kompromittierenden Videos, die noch nicht veröffentlicht seien. Mit Pirveli gibt erstmals eine Person aus dem Umkreis von Gudenus öffentlich zu Protokoll, eine Warnung über eine mögliche Falle ausgesprochen zu haben.

Pirveli ist seit 2007 mit Strache, Gudenus und anderen FPÖ-Spitzenpolitikern bekannt. Die einstige EU-Abgeordnete Barbara Kappel war einige Wochen lang an einer von Pirvelis Gesellschaften beteiligt.

Jahrelang im nächsten FPÖ-Umfeld

Pirveli war auch an der Organisation der umstrittenen Reise von Gudenus und dem damaligen Abgeordneten Johannes Hübner zum tschetschenischen Diktator Ramsan Kadyrow beteiligt – ebenso wie der ebenfalls mit Strache und Gudenus befreundete russische Fernsehmoderator und Politiker Maksim Schewtschenko. Auch Schewtschenko sagt dem STANDARD, dass Gudenus "gesagt wurde, dass Makarow keine Nichte hat". Er will Gudenus allerdings nicht selbst gewarnt haben, sondern von einer Warnung erfahren haben.

Pirveli, einst prorussischer Politiker in Georgien, ist Anfang der 2000er-Jahre nach strafrechtlichen Vorwürfen nach Wien geflohen, wo er Asyl bekam. Ab 2007 verkehrte er mit FPÖ-Politikern, schon 2008 sprach Strache im Nationalrat von Pirveli als "anerkanntem Flüchtling, der in seinem Land davon bedroht ist, ermordet zu werden". In den folgenden Jahren widmete sich Pirveli dem Aufbau von Beziehungen zwischen der FPÖ und Russland.

Auf Johann Gudenus ist Pirveli nun alles andere als gut zu sprechen. Und auch die Russland-Beziehungen der Freiheitlichen haben durch die Ibiza-Affäre einen deutlichen Dämpfer erlitten. (Herwig G. Höller, Fabian Schmid, Olivera Stajić, 23.10.2019)