Noch ist der Blutdruck von Obelix niedrig und sein Gemüt entspannt. Doch bald wird er Adrenaline entdecken, die Tochter des berühmten Vercingetorix.

Foto: Les Editions Albert René

Nein, die Frage lässt sich nicht länger beiseiteschieben: Kommt Obelix etwa in die Pubertät? Seine Nerven – und nicht nur die seinen – liegen öfters blank. Der Grund ist ein mysteriöser Besuch in dem Gallierdorf, das sich nicht von den Römern unterjochen lassen will. Zwei mit Geweihen geschmückte Häuptlinge kommen nächtens mit einer schlanken Gestalt mit feuerrotem Haarzopf. Es handelt sich um keine Geringere als die Tochter des Vercingetorix, jenes historischen Arvernerchefs, der einst tatsächlich gegen Caesar unterlag.

Der neueste Asterix-Band erscheint am Donnerstag in zwanzig Sprachen. Und Fans wissen längst: Adrenaline – so heißt die junge Frau charmanterweise – wird im Gallierdorf über kurz oder lang für einen höheren Blutdruck und Herzschlag sorgen. Ganz besonders bei Obelix, der zwischen rotem Kopf, Schmollhaltung und schnippischen Antworten die gleichen Symptome zeigt wie Adrenaline und ihre Altersgenossen Selfix und Blinix.

Eine Frau in der Heldenrolle

Vercingetorix selbst kommt im 38. Band, dem vierten des Szenaristen Jean-Yves Ferri und des Zeichners Didier Conrad, nicht vor. Während der Zeit Caesars – also Asterix' – war der echte Arvernerhäuptling noch am Leben: Er schmorte bis zu seinem Tod im Jahr 46 v. Chr. in einem römischen Kerker. Wie die beiden Asterix-Schöpfer René Goscinny und Albert Uderzo wollte, ja konnte Ferri die historische Wirklichkeit nicht verändern. Dafür erfand er die Häuptlingstochter.

Und deshalb gebührt die Heldenrolle des neuesten Asterix-Bandes nach bleibenden Charakteren wie Falbala, Maestria oder Gutemine wieder einmal einer Frau. Das passt zum Zeitgeist, geht aber nicht darüber hinaus: Das Thema Feminismus passe zum Beispiel nicht in eine antike Geschichtsära, meinte Ferri diese Woche auf einer Pressekonferenz in Paris.

Zaubertrank macht fett

Dass Adrenaline gar die Züge – zumindest Zöpfe – einer Greta Thunberg tragen soll, wollte er auch nicht bestätigen. Die unvermeidlichen Anachronismen, also Anspielungen auf die Gegenwart, fallen subtiler aus. Etwa der keltische Halsring Torques, der die Römer auf Adrenalines Fährte bringt, aber (nicht) mit einem Handy-Kopfhörer zu verwechseln ist. Die ganze Story klingt schon einmal gut ausgedacht, und nicht übel die obligaten Running Gags. "Was heißt das, Zaubertrank macht fett?!?", fragt Obelix mit nun schon puterroter Nase.

Ferri und Conrad, beide schon Jahrzehnte in der französischen Comicbranche tätig, sind absolute Profis. Den Asterix-Urahnen Goscinny († 1977) und Uderzo (92) zollen sie den gebührenden Respekt: Nach seinem vierten Asterix-Streich bezeichnet Ferri den Goscinny-Stil weiterhin als "unnachahmbar" und sagt: "Wir versuchen schlicht, den Geist der Serie zu bewahren – mit einem Mix aus Antikem und Aktuellem, der immer noch zum Lachen bringt."

Und Sesterzen, die weiter rollen: Der Großverlag Hachette, dem Uderzo die Rechte an den Asterix-Bänden 2008 abgetreten hat, sorgt für eine Startauflage von fünf Millionen Alben. Zwei Millionen erscheinen auf Französisch, 1,6 Millionen allein auf Deutsch.

Asterix wird auch schon 60

Noch wichtiger war Uderzos Entscheidung, die Serie nicht mit ihm selbst enden zu lassen, sondern ein Nachfolgerduo anzustellen, das alle zwei Jahre einen neuen Band herausbringt. So erreicht der scheinbar alterslose Asterix, dessen erstes Abenteuer 1959 im Comicmagazin Pilote erschien, heuer das runde Alter von 60 Jahren.

Exakt gleich alt, wenn auch nicht alterslos, sind Ferri und Conrad. Solange sie das Niveau halten können, werden sie die Cashmaschine namens Asterix zweifellos am Leben halten. Die Generationen der ersten Asterix-Leser trauern der Goscinny-Ära nach und bemängeln, dass den neuen Alben "irgendetwas" fehle, was die alten ausgemacht habe.

Die Kids von heute stören sich aber nicht an den relativ anonymen Autorennamen und freuen sich über das neue Gallier-Abenteuer. Eben: ein richtiger Generationenkonflikt. Nachzulesen im 38. Band. (Stefan Brändle, 24.10.2019)