Rechstextreme Drohmails erhielten unter anderem Ministerpräsident Bodo Ramelow und CDU-Spitzenmann Mike Mohring.

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Berlin/Erfurt – Auf den letzten Metern wurde es im Thüringer Wahlkampf richtig hässlich. Nicht nur Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke), sondern auch CDU-Spitzenmann Mike Mohring und der grüne Spitzenkandidat Dirk Adams bekamen von Rechtsextremen Drohmails. Er solle seinen Wahlkampf einstellen, sonst werde man versuchen, ihn "auf der nächsten öffentlichen Veranstaltung niederzustechen", heißt es in einer E-Mail an Mohring. Der Absender: "staaattstreichorchester@hitler.rocks".

Mohring hat seinen Wahlkampf natürlich nicht abgebrochen. Im Gegenteil: Bis zum Sonntag will er noch so viele Menschen wie möglich ansprechen, um sein Ziel zu erreichen: den Einzug in die Staatskanzlei in Erfurt.

Dort sitzt seit 2014 Bodo Ramelow. Er ist der erste Ministerpräsident Deutschlands, der der Partei Die Linke angehört. Und er regiert in Thüringen in einer Dreierkoalition mit SPD und Grünen. Das möchte er auch weiterhin tun, aber Umfragen sagen die Abwahl der rot-rot-grünen Regierung voraus. Sie hat ihre Mehrheit schon vor fünf Jahren nur ganz knapp geschafft, diesmal dürfte es nicht mehr reichen.

Wie es in diesem Fall in Thüringen weitergeht, ist unklar. Niemand will mit der AfD, die von Rechts-außen Björn Höcke geführt und in Umfragen zwischen 20 und 24 Prozent gesehen wird, koalieren. CDU-Mann Mohring weigert sich aber auch, mit der Linken zu reden.

Ex-Bundespräsident mahnt

Die Linke, die zum Teil aus der SED der DDR hervorging, und die CDU – das passt für die Christdemokraten nicht zusammen – auch wenn Ex-Bundespräsident Joachim Gauck die CDU mahnt, auf Realo Ramelow zuzugehen: "Ich muss doch imstande sein, einen Hardcore-Kommunisten, der Mitglied in der Linken ist, zu unterscheiden von einem Ministerpräsidenten, der aus der gewerkschaftlichen Tradition stammt.

Mohring denkt an ein sehr breites "Bündnis der Mitte", das es in Deutschland noch nie gegeben hat: CDU, SPD, Grüne und FDP. Abgesehen von inhaltlichen Gräben gibt es noch eine rechnerische Unwägbarkeit: Man weiß nicht, ob die FDP in den Landtag kommt.

Ramelow hat schon die Verfassung studiert und angekündigt, sich an Artikel 75 halten zu wollen. Dort heißt es: "Der Ministerpräsident und auf sein Ersuchen die Minister sind verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt ihrer Nachfolger fortzuführen." Seine Schlussfolgerung: Er werde auch ohne Neuwahl "einfach im Amt" bleiben. (Birgit Baumann, 24.10.2019)