Mario Draghi und Christine Lagarde.
Foto: AFP/Yiannis Kourtoglou

PRO Graf Draghila, der Euroretter

von András Szigetvari

Die Kritiker Mario Draghis können einem fast leidtun. Jahrelang haben sie sich am Italiener abgearbeitet, wahlweise weil er mit seiner lockeren Geldpolitik Sparer enteignet oder weil er für die nächste Finanzkrise sorgen wird, da er Geld so billig gemacht hat. Doch nun kommt ihnen das Feindbild abhanden. Draghi übergibt das Zepter in der Europäischen Zentralbank (EZB) endgültig an Christine Lagarde. "Graf Draghila" (Bild): So schöne Namenswitze lassen sich bei der Französin nicht machen.

Dabei war an den Vorwürfen gegen Draghi nichts dran. An einer expansiven Geldpolitik, wie der Italiener sie bis zuletzt gegen harte Widerstände durchdrückte, führte kein Weg vorbei, wenn das Ziel die Rettung der Eurozone war. Die Kreditkosten in Südeuropa waren nach der Krise 2008 explodiert: Das brachte Staaten wie Spanien und Portugal an den Rand der Pleite. Auch Firmen und Haushalte kamen im Süden kaum an Darlehen.

Draghi hat dieses Desaster beendet. Durch seine Strategie sind die Zinskosten gefallen. Er hat der Eurozone Luft verschafft. Die EZB hat zwischenzeitlich den Euro geschwächt und so exportierenden Unternehmen geholfen. Vor einer Finanzblase warnen Kritiker seit Draghis erster Zinssenkung 2011 – bisher ist nichts davon zu sehen. Was er nicht geschafft hat, war, die niedrige Inflation anzufachen. Doch das lag nicht an ihm, sondern an der schwachen Nachfrage in der Eurozone. Draghi hat seine Sache gut gemacht. (András Szigetvari, 23.10.2019)

KONTRA: Draghisches Ende

von Andreas Schnauder

Ja, es gibt kaum Zweifel: Auf dem Höhepunkt der Eurokrise hat Mario Draghi die Währungsunion vor dem drohenden Zusammenbruch bewahrt. Nur seine Bereitschaft, den angeschlagenen Ländern notfalls unbegrenzt unter die Arme zu greifen, konnte die nervösen Investoren beruhigen. Doch die Frage ist: Wie lange und wie intensiv kann eine Notenbank Ersatzfeuerwehr spielen? Draghis Einsatz dauert jedenfalls schon viel zu lange, das Löschwasser droht größeren Schaden anzurichten als der glosende Brand.

Da wäre einmal die Staatsfinanzierung, die die Europäische Zentralbank mit dem Kauf von Anleihen faktisch durchführt. Ihr Chef hilft damit den klammen Ländern aus der Patsche. Doch er nimmt auch den Reformdruck. Gerade in hochverschuldeten Staaten wie Draghis Heimat Italien hat sich die Lage seither verschlechtert.

Und da wäre die Flucht der Anleger in riskante Veranlagungen, weil die EZB die Zinsen bei null hält. Ob irgendwann ein Crash kommt, weiß niemand, tut aber auch wenig zur Sache: Denn das ständige Steigen von Aktien- und Immobilienpreisen hat auch so negative Folgen, weil Mieten und Ungleichheit zunehmen. Die Realwirtschaft hingegen misstraut den künstlich niedrigen Zinsen längst.

Somit wurde in den letzten Jahren nicht nur Pulver verschossen, sondern auch das höchste Gut – die Glaubwürdigkeit – verspielt. Ein eher draghisches Ende sozusagen. (Andreas Schnauder, 23.10.2019)