Ein Sinnbild für den gestrigen Salzburger Fußballabend.

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Trainer Jesse Marsch war der Verzweiflung nahe ob der vielen Gegentreffer.

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Salzburg – Die unangenehmste Eigenheit des österreichischen Fußballs auf internationaler Bühne ist, dass er so oft in den Konjunktiv kippt. Was wäre gewesen, wenn David Alaba gegen Ungarn nicht die Stange getroffen hätte? Was, wenn Martin Harnik bei der EM 2008 zumindest einen Bruchteil seiner Großchancen verwertet? Red Bull Salzburg war ein Jahrzehnt lang der König des Konjunktivs, jedes Jahr gab es in der CL-Quali frisches Material, mal waren vergebene Großchancen der Grund, mal ein Schiedsrichter mit Sehschwächen.

Nach dem 2:3 gegen Napoli fühlte man sich so gesehen heimisch: Da wäre so viel mehr drin gewesen. Wie schon beim 3:4 gegen Liverpool fühlte sich die Niederlage für Salzburgs Kicker und Fans schlicht unnötig an. "Wir hätten da etwas besser hinter dem Ball stehen müssen", sagte Kapitän Andreas Ulmer über das entscheidende Gegentor. Doppelpacker Erling Braut Haaland, mit sechs Goals vor Kapazundern wie Robert Lewandowski oder Raheem Sterling Führender der Torschützenliste, sagte: "Ich hätte alleine in der ersten Halbzeit vier Tore schießen können."

Zu viele Gegentore

Ganz ohne Konjunktiv kam Trainer Jesse Marsch aus. "Wir haben heute wieder zu viele Treffer kassiert", sagte der US-Amerikaner. "Das ist nicht gut genug, wenn du in der Champions League eine Rolle spielen willst." Die Königsklassen-Luft wird für Salzburg sehr dünn, ein Sieg in Neapel (5.11.) wäre für einen Aufstieg ins Achtelfinale praktisch Pflicht. "Wir sind noch am Leben", sagte Marsch.

"Wenn wir das in der Defensive im Griff haben, werden wir, glaube ich, drei Punkte in Neapel holen", sagte Maximilian Wöber. Der Verteidiger forderte, "die Balance zwischen Defensive und Offensive" zu finden. Die fehlte beispielsweise in den Sekunden nach dem 2:2. "Da haben alle im Stadion gedacht, jetzt gewinnen wir die Partie noch, auch wir auf dem Spielfeld." Dann ein langer Ball, eine perfekte Flanke, viel Platz für Lorenzo Insigne, ein André Ramalho, der wie schon beim 0:1 zu spät kommt, das 2:3. "Die Tore waren zu billig, gerade das letzte", sagte Zlatko Junuzovic.

Das System

"Wir haben wieder eine Lehrstunde gekriegt", fasste es Wöber zusammen. "Wir spielen ein sehr riskantes System. Wenn da in der Defensive einer auslässt, entstehen Räume. Die nützen Mannschaften wie Liverpool und Napoli aus." Der Sommer-Neuzugang betonte, dass sich die Mannschaft mit dem System sehr wohlfühle, auch wenn die Viererkette enorme Laufarbeit leisten musste. "Wir sind im Durchschnitt fast zwölf Kilometer gelaufen, was nicht normal ist."

Da Salzburgs bissiges Mittelfeld im Verbund mit herausrückenden Verteidigern den Gästen aus Süditalien keinen brauchbaren Spielfluss ermöglichte, boten sich Gelegenheiten für Schnitzer im eigenen Strafraum nur selten. Aber aus dreieinhalb Fehlern machten Napolis Stars drei Tore. "Am Ende hat unsere Qualität entschieden", nannte das Trainer Carlo Ancelotti. Was er nicht dazusagte: Zwei der Tore fielen durch je eine abgefälschte Flanke und einen abgefälschten Schuss. Liebe Grüße vom Konjunktiv. (Martin Schauhuber, 24.10.2019)