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Ikone der Populärkultur: Im Dezember 1962 verließ Leonardos "Mona Lisa", zum Unbill der Louvre-Kuratoren, erstmals offiziell ihre Heimat für eine Ausstellungstour in den USA. In Washington und New York wurde sie Anfang 1963 von 1,6 Millionen Museumsbesuchern bewundert. Prompt verewigte Andy Warhol sie als Ikone der Populärkultur: im April 1963 präsentierte er "Colored Mona Lisa" erstmals der Öffentlichkeit. 2015 wurde das Gemälde bei Christie’s für 56,16 Mio. Dollar versteigert.

Foto: Collage (STANDARD), Christie’s (2015), Getty Images

Das Brimborium rund um Leonardo da Vincis 500. Todestag geht dieser Tage in Paris ins Finale. Showtime für den berühmtesten Universalgelehrten, der 1519 in Frankreich verstarb und den der Louvre nun gebührend würdigt (bis 24. 2. 2020).

Seit Donnerstag ist die Ausstellung für das Publikum zugänglich. Vorweg, der 450 Millionen Dollar teure Salvator mundi glänzt vorerst durch Abwesenheit. Warum, ist eine andere Geschichte. Um einen Überblick über das Schaffen Leonardos zu geben, braucht es dieses Bild sowieso nicht.

140 Zeichnungen, Skulpturen und Archivalien und elf dem Renaissancemaler zugeschriebene Gemälde haben die Kuratoren versammelt. Fünf Meisterwerke stammen aus dem eigenen Bestand.

Das bekannteste ist in der Ausstellung allerdings physisch nicht integriert: Aus Sicherheitsgründen blieb Mona Lisa an ihrem fixen Standort im Louvre, hinter Panzerglas, wo sie täglich tausende Bewunderer "empfängt". Das Porträt (1503-1506) der Florentinerin Lisa del Giocondo ist eines der berühmtesten Werke der Kunstgeschichte, seine Popularität erklärt das allerdings nur bedingt.

Der besondere Effekt des Bildes, hinter dem ein Perspektivenkniff Leonardos steckt, ist ebenso erwiesen wie die traditionelle Huldigung von Kunsthistorikern. Stundenlang können sie über das "Sfumato" dozieren, die leicht verwischten Konturen und verschleierten Farben, die Formen verschmelzen lassen und der Fantasie der Betrachter einen gewissen Spielraum geben. In den Mund- und Augenwinkeln trieb es Leonardo zur Perfektion.

Vom Mysterium ihres Lächelns wird man noch in 100 Jahren schwärmen. Das Ausmaß der ungeheuren Bekanntheit begründet all das trotzdem nicht. Vielmehr nahm diese im Sommer 1911 mit einem banalen Diebstahl ihren Anfang.

Mit Diebstahl zu Publicity

Als man am 22. August 1911 das Fehlen der "Mona Lisa" bemerkte, wähnte man das Gemälde vorerst im Atelier eines Fotografen. Erst als man Teile des Rahmens im Stiegenhaus unter einer Treppe versteckt fand, war klar, dass es gestohlen worden war. Oberhalb Leonardos Meisterwerk hing Paolo Veroneses Gastmahl im Haus des Simon (nunmehr im Schloss Versaille), links Tizians "Allegorie des Alfonso d’Avalos" und rechts Corregios "Mystische Hochzeit der Hl. Katharina von Alexandrien mit Christus.
Foto: Wikimedia

"Das herrlichste Bild Leonardos 'Mona Lisa' aus dem Louvre gestohlen", titelte die IllustrierteKronen Zeitung am 24. August 1911 und berichtete wochenlang: über die fieberhaften Nachforschungen der Polizei, über Verhöre der Mitarbeiter des Museums.

Diverse Tatverdächtige wurden verhaftet und wieder freigelassen, darunter der Dichter Guillaume Apollinaire und Pablo Picasso. Belohnungen zur Auffindung wurden ausgelobt, Gedenkmessen veranstaltet. Zwischendurch wurde der Generalkonservator gefeuert, ebenso sein Stellvertreter und natürlich die "unfähigen" Aufseher. Die Ermittlungen verliefen im Sand. Das Gemälde, das fortan als Nationalheiligtum firmierte, blieb verschollen.

Coverstar "Mona Lisa": Die "Illustrierte Kronen-Zeitung" berichtete über mehrere Wochen über den Diebstahl und den Fortgang der Ermittlungen, die später im Sand verliefen. Der erste Artikel erschien am 24. August 1911 und auch am Folgetag zierte das Thema die Titelseite. PDF der Artikel zum download im Infokasten unten.
Foto: ÖNB/Wien

Umso größer fiel der mediale Jubel im Dezember 1913 aus, als sich das Meisterwerk bei einem Antiquitätenhändler in Florenz fand, der es vom Dieb zum Verkauf angeboten bekommen hatte: Vincenzo Perugia, ein Italiener, der in Paris sporadisch als Anstreicher tätig war. Etwa auch im Louvre, aus dem er das Bild in seinen Kittel eingewickelt "entführt" hatte.

Die Rückkehr wurde einem Triumphzug gleich inszeniert: Nach Präsentationen in Florenz, Rom und Mailand wurde das damals bekannteste Kunstwerk der Welt von Polizisten nach Paris eskortiert. Der Täter kam vor Gericht und wurde verurteilt. Durch die laufende Berichterstattung war die Mona Lisa zu einer Publicity gelangt, die sie ohne diesen Kriminalfall nie bekommen hätte.

Die Kehrseite: 1956 wurde sie Opfer zweier "Attentate". Zuerst beschädigte der Säureangriff eines Unbekannten die untere Bildhälfte schwer. Die nach der Restaurierung angebrachte Glasplatte wurde wiederum von einem bolivianischen Touristen mit einem Stein zertrümmert, wodurch die Malschicht verletzt wurde. Wieder berichteten die Medien ausführlich.

Ikone der Populärkultur

Eine weitere Zäsur in der Wahrnehmung der Weltöffentlichkeit bescherte eine Ausstellungstour durch die USA Anfang der 1960er-Jahre. Sehr zum Unbill der damaligen Louvre-Kuratoren hatte sich Charles de Gaulle 1961 während des Staatsbesuches des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy von dessen Ehefrau Jacqueline um den Finger wickeln lassen.

Sieht man vom Diebstahl und vom damit verbundenen Ausflug nach Italien ab, hatte das Gemälde Frankreich niemals zuvor verlassen. Der Empfang, den man La Gioconda im Dezember 1962 in New York bereitete, war nicht nur ein königlicher, sondern ein historisch einzigartiger. Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen wurde sie nach Washington transportiert.

Innert 27 Tagen stürmten 500.000 Besucher im Jänner 1963 die National Gallery, inklusive der anschließenden Präsentation im Metropolitan Museum of Art lag die offizielle Bilanz bei 1,6 Millionen Bewunderern. Die Zuseher der TV-Liveübertragung der Eröffnung in New York noch gar nicht einberechnet.

Fazit: Mona Lisa war zu einer Ikone der Populärkultur geworden, und als solche begann sie Andy Warhol in mehreren Fassungen zu verewigen. Die allererste war Colored Mona Lisa, die bereits ab April 1963 in der Washington Gallery of Modern Art präsentiert wurde.

2015 erzielte das Gemälde bei einer Christie's-Auktion in New York etwas mehr als 56 Millionen Dollar. Ein stattlicher, wenngleich für Trophäen des internationalen Kunstmarktes durchaus üblicher Preis.

Hartnäckiger Ruhm

Zum Vergleich: Während der US-Ausstellungstour soll Leonardos Original im Dezember 1962 auf 100 Millionen Dollar versichert worden sein. Der aktuelle Gegenwert beliefe sich auf etwa 740 Millionen (inkl. Inflation) oder auch deutlich mehr als eine Milliarde Dollar, würde die Preisentwicklung des Kunstmarktes berücksichtigt. Theoretisch, denn praktisch bleibt der Mona Lisa bekanntlich jede Reise verwehrt.

Ihrer Popularität kann das nichts anhaben. Im Gegenteil, sie wird seit mehr als 100 Jahren über Rezeptionen genährt: in der Literatur (von D. H. Lawrence bis Dan Brown), in der Musik (von Max Schillings 1915 uraufgeführter Oper bis zu Britney Spears) oder im Film (1931, Raub der Mona Lisa mit Willi Forst als Dieb).

Die Referenzen bildender Künstler wie Fernand Léger, Kasimir Malewitsch, Marcel Duchamp und nachfolgender Generationen nicht zu vergessen. Das Naschen an Mona Lisas Ruhm hält sich hartnäckig. Der Profit in Form von Aufmerksamkeit ist ja gewiss. (Olga Kronsteiner, 25.10.2019)