Unternehmen müssen nachhaltiger und klimaneutraler werden. So will es die EU-Kommission. Ein "Green Deal" soll den Weg ebnen.

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Das Pariser Klimaabkommen definiert als Ziel, die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten und Finanzmittel mit einer emissionsarmen Entwicklung in Einklang zu bringen. Der Finanzierungsbedarf für dieses Vorhaben ist enorm. Allein für Österreich wird für die Energiewende von einem Finanzierungsbedarf von 29 Milliarden Euro für die Stromversorgung und 20 Mrd. Euro für den Ausbau der Netze ausgegangen. Auf EU-Ebene wird der jährliche Investitionsbedarf bis 2030 von der Kommission auf etwa 180 Mrd. Euro geschätzt. Für die Sektoren Energie, Transport, Wasser und Abfall werden rund 270 Mrd. Euro aufzuwenden sein. Global liege der Kapitalbedarf bei 29.000 Milliarden Dollar bis 2050, um die Klimaziele zu erreichen.

"Das sind zweifelsohne große Summen", sagt Dieter Aigner, Geschäftsführer der Raiffeisen KAG. Aber machbar. "Die Finanzindustrie kann und muss einen substanziellen Beitrag zur Erreichung dieses Ziels leisten, um diesen Geldbedarf zu stemmen", so Aigner.

Die Zeit drängt

Die Finanzindustrie bekommt in diesem Umfeld ohnehin eine immer größere Rolle zugeschrieben. So arbeitet die EU-Kommission an einem "Green Deal", mit dem Mitte des Jahrhunderts Klimaneutralität erreicht werden soll. Schon im Vorjahr hat die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums veröffentlicht. Heuer hat die Europäische Bankenaufsichtsbehörde ein Mandat zur Prüfung, wie Risiken aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) in die aufsichtsrechtliche Kontrolle einbezogen werden können, erhalten. Auch an den Vergaberichtlinien für Kredite für klimabezogene oder nachhaltige Projekte wird gearbeitet.

"Zur Zielerreichung legen der Gesetzgeber und die Aufsicht eine enorme Geschwindigkeit vor, und dies mit einem Nachdruck, der an die Zeiten nach der Finanzkrise 2009 zur Etablierung der Bankenunion erinnert", sagt Christine Würfel, Leitung Group Regulatory Transparency bei der Raiffeisen Bank International.

Drei Kernziele

Der Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums definiert drei Kernziele, die mit zehn Maßnahmen erreicht werden sollen. Die Finanzierung über den Kapitalmarkt und über Banken bekommt einen besonderen Stellenwert. Dabei gehe es um eine Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft, die Einbettung der Nachhaltigkeit ins Risikomanagement und die Förderung von Transparenz und Langfristigkeit. Zudem werden Unternehmen von der EU-Kommission neue Offenlegungspflichten verordnet.

Ein einheitliches Klassifikationssystem (Taxonomie) soll Nachhaltigkeit klar definieren. Damit soll vermieden werden, dass Unternehmen sich lediglich ein grünes Mascherl umbinden, aber keine konkreten Anforderungen erfüllen. Ob es für Unternehmen, die in diesen Bereichen keinen Fortschritt vorweisen können, Strafen gibt, sei laut Würfel noch nicht klar.

Klar sei jedoch, dass Unternehmer ihre Risiken neu bewerten müssen. Bisher hätten Risk-Manager oft mit Daten aus der Vergangenheit gearbeitet. Jetzt müssten sie sich auch über künftige Risiken Gedanken machen.

Finanzberater müssen Kunden künftig explizit fragen, ob sie im Falle einer Veranlagung an einem nachhaltigen Investment Interesse haben.
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Betroffen von den neuen Vorschriften sind auch Berater, Kunden und Fondsmanager. Kunden müssen künftig von ihrem Berater explizit gefragt werden, ob sie im Fall einer Veranlagung Interesse an einem nachhaltigen Produkt haben. Fondsmanager müssen für die Auswahl ihrer Investments auch prüfen, welches Risiko aus den Bereichen Umwelt, Soziales oder Unternehmensführung bei dessen Eintreten potenziell negative Auswirkungen auf den Wert der Investition haben könnte.

Bei nachhaltigen Veranlagungen orten Experten großes Wachstumspotenzial. Durch das explizite Ansprechen des Themas im Kundengespräch erwartet Heinz Macher, Leiter Regulation, Tax & Compliance bei der Raiffeisen KAG, einen Nachfrageschub. Selbst Larry Fink, Chef des weltgrößten Assetmanagers Black Rock schrieb zu Jahresbeginn in seinem traditionellen Brief an die wichtigsten Unternehmenschefs, dass gerade der größte Wohlstandstransfer der Geschichte stattfinde – von den Babyboomern hin zu den Millennials. Und diese stellten die Umwelt, das Klima und nachhaltige Kriterien in den Mittelpunkt.

Mittel sind da

In Summe könne die Finanzindustrie mit den neuen Maßnahmen dazu beitragen, dass Lösungen für die Klimakrise finanziert werden, sagt Aigner. Mittlerweile hätten 2600 Asset-Owner und Asset-Manager die Prinzipien für verantwortliches Investieren (Principles for Responsible Investment, PRI) der Vereinten Nationen unterzeichnet. Diese Investoreninitiative wurde 2006 gegründet. Die Unterzeichner verwalten fast 100.000 Milliarden Dollar. "Nur ein Prozent davon wäre ein Bruchteil der durchschnittlichen jährlichen nominellen Erträge dieses Volumens, etwa die Hälfte des aktuellen verfügbaren Volumens an Green Bonds und etwa das 2,5-Fache des österreichischen BIP", rechnet Aigner vor. Die Mittel seien also vorhanden, sie müssten nur genutzt werden. (Bettina Pfluger, 24.10.2019)