Bürgermeister Michael Ludwig will journalistische Qualität nicht bewerten: Bei der Förder-Jury "gibt es überhaupt keinen Verdacht, dass es da politische Einflussnahmen oder politische Interventionen gibt", sagt er.

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Wenn Wien eine neue Medienförderung präsentiert, ist der Saal recht gut gefüllt mit Journalisten, Kameraleuten, Fotografen und auch dem einen oder anderen Chefredakteur. Die Stadt vergibt in den nächsten Jahren dreimal 2,5 Millionen Euro für innovative Projekte mit journalistischer Qualität. Die soll eine wesentlich mit internationalen Wissenschaftern besetzte Fachjury bestimmen.

Bis 10.000 und bis 100.000 Euro

  • Die Stadt fördert über diese "Medieninitiative Wien" einerseits Projekte von Brancheneinsteigern, von "jungen Menschen, die in den Journalismus eintreten", spricht Bürgermeister Michael Ludwig. Sie können dafür bis zu 10.000 Euro bekommen – die wiederum höchstens 75 Prozent der Projektkosten ausmachen dürfen.
  • Bis zu 100.000 Euro gibt es für bestehende Medienunternehmen und Startups für "Projekte mit einer hohen journalistischen Qualität" (Ludwig). Bei bestehenden Unternehmen kann das Geld bis 45 Prozent der Projektsumme ausmachen, bei Startups bis 60 Prozent, erläutert Finanzstadtrat Peter Hanke.

Die "Medieninitiative" organisieren die Wirtschaftsagentur Wien (bei der man sich ab November bewerben kann) und dem Presse- und Informationsdienst (PID) der Stadt Wien.

5000 Euro extra für Frauen

Einen "Frauenbonus" kündigt Hanke zudem an: Wenn die Projekte von Frauen geleitet würden, bekämen sie 5000 Euro extra.

Fachjury von Wissenschaft bis Wien

Die journalistische Qualität der eingereichten Projekte soll eine Jury bestimmen, die Daniela Kraus Donnerstag vorstellte; die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia wird dem Gremium auch angehören. Mitglieder sind

  • Christopher Buschow (Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar),
  • Matthias Karmasin (Akademie der Wissenschaften),
  • Helmut Strutzmann, PR-, Medien- und Unternehmensberater; der Stadt Wien lange verbundener Chef der Agentur Multiart,
  • Romanus Otte, Chefredakteur und Geschäftsführer des "Business Insider" Deutschland von Springer, wo er früher Digitalmanager der "Welt" war,
  • Ulrike Marinoff, im PID für Werbebuchungen der Stadt Wien zuständig,
  • Daniela Kraus (Concordia) und
  • Margarete Jahrmann, die Burgenländerin lehrt an der Zürcher Hochschule der Künste in den Fachrichtungen Design und Game Design.

"Kein Verdacht politischer Einflussnahme"

"Ich möchte als Politiker nicht festlegen, was journalistische Qualität ist", sagt Ludwig: "Der Diskussion, ob Politiker oder die Politik generell eingreift, welche Medien förderwürdig sind und welche nicht, und welche vielleicht willfähriger sind als andere, will ich mich nicht stellen." Also habe eine Jury aus "hochangesehenen Persönlichkeiten" Sinn, "wo es überhaupt keinen Verdacht gibt, dass es da politische Einflussnahmen oder politische Interventionen gibt." Er gehe davon aus, dass die Kriterien für Vergaben "sehr transparent und öffentlich" gemacht würden.

Differenziertere Werbebuchung

Ludwig hat vor exakt einem Jahr angekündigt, die Stadt Wien werde ihre Werbung "differenzierter" buchen. Man müsse mehr die jeweiligen Zielgruppen beachten, sagte er in der Fragestunde des Gemeinderats. Auch die journalistische Qualität soll ein Kriterium für die Vergabe sein, erklärte der Bürgermeister damals.

Wien ist größter öffentlicher Werbebucher im Land. Die nach dem Medientransparenzgesetz gemeldeten Werbevolumina der Stadt betrugen 2018 14,7 Millionen Euro, noch ohne die Unternehmen der Stadt Wien. Im ersten Halbjahr 2019 buchte die Stadt laut gemeldeten Daten Werbung im Wert von 8,6 Millionen Euro, rechnet man ihre Betriebe dazu, kommt man auf zumindest 12,5 Millionen Euro.

Wann kommt diese qualitätsorientiertere Inseratenvergabe, fragte eine ORF-Journalistin am Donnerstag bei der Präsentation der Medienförderung. Ludwig verweist dazu auf drei Maßnahmen: den neuen, einheitlichen Markenauftritt der Stadt Wien, die nun vorgestellte Förderung von (vor allem digitalen) Medieninnovationen. Teil drei, eine "geänderte Inseratenpolitik" wolle er Ende 2019, Anfang 2020 präsentieren.

"Keine Medienförderung, sondern Informationspolitik"

"Die Stadt Wien betreibt keine Medienförderung wie der Bund, sondern Informationspolitik", betont Bürgermeister Michael Ludwig gleich zweimal recht grundsätzlich bei der Präsentation am Donnerstag. "Das heißt, wir wollen die Wienerinnen und Wiener und die Menschen, die zu uns kommen, informieren, welche Angebote es gibt und was wir als Stadt Wien bereit sind, für Lebensqualität in unserer Stadt zu leisten." Das heißt, die Informationsarbeit steht hier ganz besonders im Vordergrund."

Das bedeute einerseits eine "möglichst effiziente" Information darüber; andererseits habe sich die Stadt auch "die Verpflichtung auferlegt, die Vielfalt der Medien und des Journalismus zu unterstützen, insbesondere auch den Zugang zu Medien".

Wien fördert neben Inseraten mit Werbecharakter, Produktionsförderung und der neuen Innovationsförderung auch nichtkommerzielle Sender – das Communityfernsehen Okto und Radio Orange – mit jährlich rund 1,35 Millionen Euro. Die Wien Holding hat eine eigene Mediengruppe etwa mit dem TV-Sender W24. (fid, 24.10.2019)