Bedroht! Gefährdet! Weißwein ade oder eigentlich: Das Ende des Grünen Veltliners ist nah. So titelten Medien in den letzten Tagen, in sozialen Medien wurde bereits die Trauerphase für Österreichs beliebteste Rebsorte ausgerufen. Der Klimawandel sei es, der dem Veltliner den Garaus mache.

Fakt ist: Heuer war laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) nach 2003 der wärmste Sommer der Messgeschichte. Steigende Jahresdurchschnittstemperaturen gefährden die kühle Stilistik und vibrierende Säure, für die Österreichs Weine stehen. Diese lagern durch hohe Temperaturen und Sonnenstunden viel Zucker ein. Gerade den Grünen Veltliner kann aber ein Zuviel in einen alkoholischen, schwerfälligen Wein verwandeln, der am Gaumen mehr pumpert als tänzelt. Derlei will im In- und Ausland wirklich keiner trinken. Österreich könnte den Status als Weinnation verlieren, nördlicher gelegene Länder künftig den Applaus für ihre "Cool-Climate-Weine" kassieren. So weit das tiefschwarz gemalte Szenario.

Die geänderten Klimaverhältnisse erfordern Umdenken im Weinbau.
Foto: Christian Fischer

Experten wie Astrid Forneck sehen das differenzierter. Sie leitet das Institut für Wein- und Obstbau an der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien: "Durch die Diskussion um den Klimawandel entstehen oft einseitige Statements, die auf die Katastrophe hindeuten. Dabei muss das nicht immer so sein." Klimawandel bedeute unter anderem die stetige Erwärmung der Jahresdurchschnittstemperaturen. Forneck sagt die Trauerstimmung ab: "Prinzipiell verbessert sich das Weinklima in Österreich dadurch."

Die Rettung des Veltliners

Trotzdem ist nicht alles rosé. Denn zeitgleich häufen sich Extremwetterverhältnisse, die Vegetationsperiode verschiebt sich nach vorn. Das stellt Winzer vor neue Probleme. Schon in den letzten Jahren sorgten Spätfröste und Hagel für massive Ernteausfälle. Insofern wird sich in Österreich im Weinbau einiges ändern. Das betrifft vorerst weniger den Rebsortenspiegel, sondern mehr die Ausrichtung der Weingärten, die Erziehungssysteme oder das richtige Laubmanagement, also wie die Blätter ausgedünnt und die Trauben beschattet werden. Auch in der Weinbauforschung entwickelt man intelligente neue Konzepte für den Weinanbau bei steigenden Temperaturen. Und an der Boku startete soeben eine Lehrveranstaltung, bei der Studenten gesunde Weingärten für das Jahr 2050 konzipieren. Forneck: "Es geht schließlich nicht nur darum, welchen Wein ich gern trinke, sondern auch darum, was sich gut verkauft. Und das ist nun einmal Grüner Veltliner in guter Qualität aus Österreich."

Eine Frage der Einstellung

Handlungsbedarf gibt es also – nur scheint die Panik vor dem Ende des Veltliners im druckenden Metier größer als im pressenden. Ein Glück! Das bestätigt auch Heinz Frischengruber, Kellermeister der Domäne Wachau: "Natürlich ist der Klimawandel die große Herausforderung unserer Zeit. Im Wein und überall anders. Trotzdem ist es eine Frage der Einstellung, damit richtig umzugehen." Angst bringe einen nicht weiter, besser sei es, genauer hinzusehen und die Zeichen deuten zu lernen. Wer seinen Weingarten versteht, der kann auch früher reagieren, so Frischengruber, der mit der Kooperative Domäne Wachau für 250 Winzerfamilien verantwortlich zeichnet und 2,5 Millionen Liter Wein, vorwiegend Grünen Veltliner und Riesling, keltert.

Für Heinz Frischengruber, Kellermeister der Domäne Wachau, ist die Anpassung des Lesezeitpunkts eine Möglichkeit, dem Klimawandel zu begegnen.
Foto: Christian Fischer

Man müsse die Winzer wieder mit ihrem Boden und den Reben zusammenbringen. "Seit 15 Jahren bin ich nun Kellermeister hier. Für mich ist es das Größte, wenn mir ein Winzer freudig von wilden Erdbeeren und Habichtskraut erzählt, die er nach Jahrzehnten erstmals wieder in seinem Weingarten entdeckt hat." Das sei ein Zeichen für einen gesunden Boden und damit stärkere Reben – die wiederum die Herausforderungen des Klimawandels besser nehmen können. Auch Frischengruber will nicht in den Abgesang für den heimischen Wein einstimmen: Wenn er sich einen Jahrgang genau nach seinen Wünschen zusammenstellen könnte, wäre er wohl recht knapp bei 2019.

In die Amphore geschaut

Fragt man 150 Kilometer weiter östlich, im burgenländischen Gols, die Winzer Heike und Gernot Heinrich nach ihrer Einschätzung zum Jahrgang 2019, erntet man auch hier ein zufriedenes Lächeln. Sicherheit gibt die Kostprobe vergorener Trauben, die Gernot Heinrich einer seiner Amphoren entnimmt: Ausgewogen und vollreif, da ist nichts, was stört. "Wenn das jetzt schon so ist, wird auch der Wein groß", prophezeit Heinrich.

Für die Winzer Heike und Gernot Heinrich ist Biodiversität ein Schlüsselthema im Weinbau – und im generellen Umgang mit dem Klimawandel.
Foto: Christian Fischer

Für ihn waren die Jahre 2017 und 2018 gefühlt bedeutend wärmer. "Die kühleren Nächte während der Ernte im September haben in diesem Jahr einiges entschärft", sagt Heinrich. Prinzipiell sei die Rebe eine Pflanze, die mit kargem Dasein gut umgehen kann. Und der Winzer mit dem Klimawandel, vorausgesetzt er arbeitet einfühlsam und bewusst. Schon jetzt sei eine der Möglichkeiten, dem Klimawandel zu begegnen, in kühlere Positionen am Waldrand oder in nach Norden ausgerichtete Lagen auszuweichen.

Heinrich: "Wir müssen wieder mehr Biodiversität in die Weingärten bringen, dazu muss generell ein holistischer Ansatz gelebt werden." Dann muss man sich auch in Zukunft keine Sorgen um das straffe Säuregerüst des österreichischen Weins machen. (Nina Wessely, 26.10.2019)