Ein funktionierendes Parlament haben wir wieder, mit einer aus den Wahlen hervorgegangenen Regierung wird es sich noch einige Zeit hinziehen. Aber das hat keine Eile, wird das Land doch ohnehin zur nationalfeiertäglichen Zufriedenheit seiner Bewohnerinnen und Bewohner regiert. Und wer weiß, ob was Besseres nachkommt? Keine Jahreszeit als diese des dilatorischen Sondierens, in der eine Regierung die Opposition noch ein Weilchen schlafen lässt, wäre besser geeignet, sich konzentriert auf die Zeit danach vorzubereiten. Doch wie wird sie genützt! Die Freiheitlichen ringen um den Facebook-Account ihres Ex-Chefs, mit ungewissem Ausgang – und zwecklos. Ohne Spesen kann Norbert Hofer sein Privatleben niemals so intensiv für Parteizwecke zelebrieren, wie es seinem Vorgänger mit Frau und Haushaltszulage gelang, 780.000 User zu fesseln.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Und die Sozialdemokraten? Mag bei ihnen gerade nicht alles rundlaufen, so sind sie doch zusammengeschweißt in der sämtliche Medien des Landes faszinierenden Ideologie des dialektischen Infantilismus. Sonst eher ideologieabweisend, überkugeln sich sogar Boulevardblätter in Versuchen, dem Phänomen auf den Grund zu gehen – ohne Erfolg. Wie auch? Wohin man schaut, ob ins Burgenland oder in die Steiermark, nach Linz oder nach Traiskirchen, überall schießen Genossen mit Wortspenden aus dem Boden, die eher die Solidargemeinschaft eines Haifischbeckens illustrieren als das, was eine solidarische Partei sein sollte.

Inhaltlicher Nebel

Forderungen nach einem Ende der öffentlichen Debatte werden rituell mit Beiträgen verschärft, die sie anheizen, die Selbstbeschädigung der Partei ist stets ein Werk der anderen, und am deutlichsten wird sie sichtbar in der Beschädigung der Vorsitzenden. Typisch dafür: Kommentatoren und Analytiker, Journalisten und Genossen fielen über sie her, als sie neulich auf die Frage, wofür die SPÖ stehe, antwortete: Daran arbeiten wir. Das war vielleicht nicht sehr schlau, denn auf eine solche Frage erwartet sich die Welt die ebenso abgeschliffene wie abgeschlaffte Antwort, die einem Parteifunktionär im Schlaf einfällt.

Hätte sie irgendetwas von sozialer Gerechtigkeit gesagt, alles wäre sofort vergessen gewesen. Dummerweise ist ihr indirekt eine Wahrheit entschlüpft: Jeder der parteiinternen Kritiker glaubt zwar, für sich zu wissen, wofür die Partei steht beziehungsweise stehen sollte, die Partei als Ganzes weiß es aber offensichtlich nicht mehr und kann es daher auch nicht darstellen – was Wahlergebnis und Wählerströme unerbittlich beweisen.

Es ist nicht überraschend, dass bei inhaltlichem Nebel die Debatte in persönliche Streitereien und Beschuldigungen entgleitet und lächerliche Lappalien um Uhren und Automarken der moralischen Bewertung durch Käseblätter vom Boulevard ausgeliefert werden. Noch schlimmer, wenn Ohrenbläser mit finanziellen Verdächtigungen Rufmord nicht nur an einer Person, sondern – indem sie sie damit in die Nähe der FPÖ rücken – an ihrer Partei erproben. Das sind keine Kleinigkeiten mehr. Es bleibt wenig Zeit, sie wird zeigen, ob die SPÖ eine gründliche inhaltliche Sondierung schafft. (Günter Traxler, 24.10.2019)