Ihr Zopf hat so viel Eigensinn wie sie selbst: Adrenaline ist eine bockige Teenagerin und die Heldin des neuesten "Asterix"-Abenteuers.

Foto: Egmont Ehapa Media GmbH/2019 LES EDITIONS ALBERT RENE

Ihr roter Schopf ist zu einem dicken Zopf gebändigt, die Sommersprossen sitzen frech auf ihren Wangen, und ihr Blick kann ganz böse werden. Die Augenbrauen trägt sie gewohnheitsmäßig hochgezogen, den Mund verbissen, und sie hält so wenig von Vorschriften wie von hübschen Kleidern. Dafür klettert sie in ihrer schwarzen Kluft in Windeseile Schiffsmasten hoch und brüllt gestandenen Piraten so forsch ins Gesicht, dass deren Zöpfchen flattern. Sie habe Charakter und sei stark wie ein Ochse, loben die einen, andere sind von ihr nur genervt.

Adrenaline heißt die Heldin des neuen Asterix-Heftes, das zum 60. Geburtstag des Comichelden erscheint. Vater Vercingetorix ist als Arvernerfürst 50 v. Chr. historisch verbürgt, von dem pubertierenden Mädchen jedoch wissen die Historiker nichts. Eine Lücke, die Texter Jean-Yves Ferri und Zeichner Didier Conrad in Die Tochter des Vercingetorix auf 48 Seiten füllen: Die Römer wollen Adrenaline fangen, daher hat Vercingetorix ihr einen goldenen Halsschmuck als Symbol des Widerstands umgehängt und sie weggeschickt. Auf der Flucht soll sie bei Asterix unterschlüpfen.

Insignien eigensinniger Mädchen

Eigensinnige Mädchen haben rote Haare und Sommersprossen, das kennt man von Pepper Ann und Pippi Langstrumpf. Manche erkennen in Adrenaline sogar eine gallische Greta Thunberg. Tatsächlich ist jedes Wort aus ihrem Mund auf Widerspruch gebürstet, er richtet sich aber vor allem gegen den ständigen Krieg mit den Römern. Konflikte mit den Altvorderen erleben allerdings auch die anderen Kids. Vom Klimawandel wissen sie noch nichts, doch: "So krass wie ihr die Wildschweine überjagt, gibt’s sowieso bald keine mehr!", begehrt die Dorfjugend auf.

An renitenten Teenagerinnen als Vorbildern mangelt es in letzter Zeit auch abseits der Nachrichten nicht. Die männlich dominierte Gallierwelt bevölkerten 37 Ausgaben lang Frauen aber entweder als Heimchen am Herd oder attraktive Kopfverdreherinnen. Eine junge Frau zur Heldin zu machen ist als zeitgeistiges Zeichen aber nicht nur idealistisch zu deuten: Das Publikum der Hefte zählt tendenziell schon mehr Lenze – man erhofft sich jüngere und zudem mehr weibliche Leser.

Dienstbarer Blumenbursche

Die Macher haben sich Inspiration für Adrenaline von ihren Töchtern geholt. Vielleicht leitet sie also auch ein frommer Wunsch, wenn die Teenagerin am Ende keine Augen für den blonden Blumenburschen Letitbix hat, sondern nur für sein Schiff, um damit endlich gen Frieden abzuhauen. So geht emanzipiert. (Michael Wurmitzer, 24.10.2019)