Zigtausende Landsleute sehen, was chinesische Urlauber in Österreich online bewerten.

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Wien – Chinesische Touristen in Österreich sind häufig irritiert, wie picksüß die Mehlspeisen sind. Ein Feedback, das selten die heimischen Betreiber erreicht – ist die sprachliche und kulturelle Barriere doch zu groß. Stefan Pellech will das ändern, wie er im Gespräch mit dem STANDARD in einem Wiener Innenstadtcafé erzählt. Mit seinem Start-up Sinotan hilft der Wiener seinen Kunden, die Hotels, Geschäfte und Lokale im deutschsprachigen Raum betreiben, die Gäste aus China für sich zu gewinnen.

Seine Expertise bezieht der weitgereiste Unternehmer aus seiner langjährigen Zeit beim deutschen Robotikunternehmen Kuka. Dort war Pellech Leiter der Strategie und Organisationsentwicklung für Asien mit Sitz in Schanghai. Als Kuka von Chinesen gekauft wurde, war der Österreicher für die Verschmelzung zweier Unternehmenskulturen zuständig. Vor kurzem wagte er dann den Schritt in die Selbstständigkeit. Als kultureller Dolmetscher will Pellech mit Sinotan die größte Konsumentengruppe der Welt vermitteln.

Eine Million Gäste

Das Potenzial ist vorhanden: Fast eine Millionen Chinesen besuchten im Vorjahr Österreich – fünfmal mehr als vor zehn Jahren. Dank lebhafter Social-Media-Aktivität der Besucher aus Asien stehen heimische Anbieter laufend auf dem Prüfstand – oftmals ohne es zu wissen. Chinesen bewegen sich abseits von Facebook, Instagram und Tripadvisor in ihren eigenen sozialen Medien.

"In einer kollektiv denkenden Gesellschaft verlassen sich potenzielle Kunden auf das Feedback von Einzelnen. Das hat eine riesige Hebelwirkung für den Markt", sagt Asien-Kenner Stefan Pellech.
Foto: Pellech / Photo Simonis Wien

Viele im heimischen Tourismus haben zwar den Braten gerochen, setzten aber nicht immer auf das richtige Pferd: Mittlerweile kennt fast jeder den chinesischen Messengerdienst WeChat. Die Österreich Werbung propagiert etwa auf ihrer Homepage, wer Marketing für chinesische Reisende machen wolle, komme um die App nicht herum.

In Zoos oder Museen sieht man das grüne Logo der Online-Plattform immer öfter. Der Hype sei laut Pellech jedoch verfehlt: "Der heimische Tourismus fängt an, zu lernen, dass Chinas soziale Medien sehr vielfältig sind." WeChat sei für Chinesen wichtig, aber nicht immer ideal, um Kunden anzusprechen.

Selfie mit Bewertung

Stattdessen gibt es eine ganze Reihe von spezialisierten Bewertungsplattformen, etwa für Restaurants, Luxusartikel, Uhren oder sogar für gutes Service. Viele chinesische Kunden kaufen nicht nur ein, sie teilen das Erlebnis auf einer dieser Plattformen, gerne mit Selfie. Umgekehrt orientieren sich hungrige oder kauflaunige Touristen an den positiven Erfahrungen ihrer Landsleute. "In einer kollektiv denkenden Gesellschaft verlassen sich potenzielle Kunden auf das Feedback von Einzelnen. Das hat eine riesige Hebelwirkung für den Markt", betont Pellech.

Wie bestellt hat sich eine asiatische Gruppe nach Inspektion der opulenten Kuchen und Torten in der Vitrine am Nachbartisch niedergelassen, lehnen auf zwei abgegriffenen Marmortischchen, sämtliche Handys gezückt. Ob es auch von unserem Café Einträge gibt? Pellech schaut sofort nach. Tatsächlich finden sich einige Kommentare. Bilder von Speisen und ein paar lobende Worte. Seitens der Gastgeber hat erwartungsgemäß niemand darauf reagiert.

Hier können Pellech und sein Team helfen: Neben dem Firmengründer sitzen Mitarbeiter in Schanghai, Taipeh und Wien. Sie richten unter anderem Accounts auf den chinesischen Plattformen für Geschäfte oder Marken ein und entwickeln sie mit gezieltem Inhalten weiter. Wenn ein großes Lob oder eine Kritik kommt, können sie nach Rücksprache mit dem Inhaber öffentlich sichtbar auf Chinesisch reagieren. Allein das schinde viel Eindruck, sagt Pellech.

Für viele Sinotan-Kunden ist es nicht möglich – oder sinnvoll -, dauerhaft auf chinesischen sozialen Medien aktiv zu sein. Vielmehr lässt sich dort für heimische Anbieter wertvolles Feedback einholen. Bei Sinotan wird das ausgewertet und man steht mit Rat zur Seite, wie man Chinesen besser anspricht. Erste Erfolge stellten sich bereits ein.

Bei einem Kunden, einem führenden Wiener Juwelier, schreiben Touristen Kommentare wie "Hier werden Chinesen verstanden" oder "Sie haben uns Anerkennung geschenkt, indem sie ein spezielles Stück herausgenommen haben". Ein wundervolles Feedback, sagt Pellech, das in kürzester Zeit über 250.000 Aufrufe erhalten hat. (Leopold Stefan, 26.10.2019)