Wenn Butter rar oder teuer ist, kommen Menschen mitunter auf dumme Gedanken. 1866 schrieb Napoleon III. einen Preis für denjenigen aus, der ihm helfe, den Buttermangel in seinem Land zu beheben. Der Chemiker Hippolyte Mège-Mouriès ersann daraufhin ein Verfahren, um aus Rindertalg und Magermilch eine "billige Butter für die Arbeiterklasse" herzustellen. Weil er (fälschlicherweise) davon ausging, dass die häufigste Fettsäure im Rinderfett die Margarinsäure sei, nannte er sein Produkt Margarine. Einer der kulinarisch größten Irrwege der Geschichte nahm seinen Anfang.

Ganz so schlimm wird es diesmal hoffentlich nicht werden. Obwohl die Buttergroßhandelspreise nach einem ziemlichen Anstieg 2017 endlich wieder gesunken sind, ist Butter im Supermarktregal nicht billiger geworden – und das regt erstaunlich viele Menschen auf. Der STANDARD-Artikel dazu war einer der meistgelesenen. Für die Butter ist das ein ziemliches Kompliment: Nach Jahren der gesellschaftlichen Ächtung wird sie nun laut zurückgefordert.

Die Butter ist nach Jahren der Ächtung zurück.
Foto: Lukas Friesenbichler

Butter is back

Zahlreiche Studien haben mittlerweile ergeben, dass Butter bei weitem nicht so ungesund ist (Margarine bei weitem nicht so gesund) wie jahrzehntelang rauf- und runtergeschrieben wurde. Dass sie viel besser schmeckt, war ohnehin jedem immer schon klar. "Butter is back", titelte die New York Times vor gut fünf Jahren, die Verkaufszahlen sind zuletzt wieder konstant gestiegen – und das ist sehr gut so.

Wie die ungleich teureren Trüffeln macht sie einfach alles besser, mit dem sie in Berührung kommt – mit ihrer zarten Säure und nie groben Üppigkeit ist sie ein universaler Geschmacksverstärker. Simples Gemüse, kurz in gebräunter Butter geschwenkt, wird zum dekadenten Fest, Fisch oder Fleisch in ihr gebraten entwickelt unvergleichliche Röstaromen. Suppen und Saucen verdanken ihr Glanz, Konsistenz und Geschmack.

Die französische Patisseriekunst und die österreichische Mehlspeisküche wären ohne sie nicht vorstellbar. Brioche und Croissant, Hollandaise, Béarnaise oder Beurre Blanc, Butterbrösel, Mohnknödel oder Erdäpfelpüree sind ohne sie vielleicht denk-, aber sicher nicht essbar. Und die allerbeste, zart gesalzene Butter ist ganz allein so gut, dass ihr nichts hinzuzufügen ist – außer vielleicht richtig gutes Brot. "Butter ist das Gold unserer Küche", hat Heinz Reitbauer vom Steirereck das unlängst zusammengefasst.

Apropos gesalzene Butter: Dass sie in einem Butterland wie Österreich ein derart ignorant ins Eck gestelltes Dasein fristen muss, stellt uns als Feinschmeckernation nicht gerade das beste Zeugnis aus. Sicher, Salzbutter hat bei uns nicht wirklich Tradition, aber gerade Österreich, dessen kulinarisches Erbe so sehr von fremden Einflüssen profitiert hat, sollte es doch besser wissen – und einmal ausprobieren, wie unvergleichlich besser ein Brot mit gesalzener Weidebutter schmeckt! Vielleicht findet sich dann auch eine unserer zahlreichen Molkereien, die sich des Themas annimmt.

Weltweit sind wohl die Franzosen am berühmtesten für ihre Butterliebe. Trotzdem war es ein Ire, der die vielleicht besten Worte für die Butter fand: Der Dichter Seamus Heaney nannte sie "geronnenes Sonnenlicht", das nach dem Schlagen "wie vergoldeter Kies in der Schüssel liegt". Das ist mehr als eine poetische Metapher. Kühe vollbringen ein Wunder, von dem jeder fetthärtende Margarinemacher nur träumen kann: Sie verwandeln Gras, dank Sonnenlicht gewachsen, in Milch, aus der wir wiederum Butter schlagen können.

Eine Flocke Butter macht vieles besser.
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Butter war daher immer schon vor allem in jenen Gegenden wichtig, in denen außer Gras nicht viel wächst, vor allem kein Getreide (das einzige Gras, das Menschen direkt essen können). Im Norden Europas war Butter lange neben Schweineschmalz das wichtigste Fett. Auch in den alpinen Regionen Österreichs sicherten Kühe (und Butter) das Überleben der Menschen. Als sie ab dem 16. Jahrhundert im Gegensatz zum Schmalz von der katholischen Kirche auch während der Fastenzeit erlaubt wurde, begann ihr Siegeszug durch die höfischen Küchen.

Wer als Erster auf die Idee gekommen ist, Butter zu machen, ist nicht überliefert – wir dürfen allerdings davon ausgehen, dass sie uns schon ähnlich lange begleitet wie Kuhmilch, also wohl seit mindestens 6.000 Jahren. Der erste Buttermacher dürfte ein Nomade gewesen sein, der seinen Rahm in Tierhaut transportierte und abends feststellte, dass das Fett darin während des Tagesmarschs zu kleinen Klumpen geronnen war. Bis heute stellen Nomaden Butter her, indem sie Milch in Tierhäuten kräftig schütteln.

Alles in Butter, ob kühl oder heiß

Butter machen ist im Grunde furchtbar einfach: Der Rahm – also das Milchfett, das sich nach einiger Zeit auf der Milch oben absetzt – wird abgeschöpft und ordentlich geschleudert. Durch die Erschütterung brechen die Membranen der kleinen Fettkügelchen auf, das Fett rinnt aus und verbindet sich zu kleinen Klumpen. Zurück bleibt die fast fettfreie Buttermilch. Die kleinen Butterklumpen werden abgeseiht, oft gewaschen und dann zu größeren Butterstücken geknetet.

Jahrtausendelang wurde der Rahm vor dem Buttermachen nicht gekühlt, Milchsäurebakterien besiedelten und säuerten ihn (ganz wie Sauermilch). Sauerrahmbutter war daher bis zur Erfindung und Verbreitung von Kühlgeräten der Butterstandard. Sie schmeckt dank der Fermentation intensiver und enthält viel mehr Aromastoffe als Süßrahmbutter, etwa Diacetyl, ein Aromastoff, der wie natürlicher Geschmacksverstärker für Buttergeschmack wirkt. In butterliebenden Ländern wie Frankreich oder Großbritannien ist Sauerrahmbutter bis heute die häufigste Butter, in den USA hingegen regiert die milde (oder fade, je nach Standpunkt) Süßrahmbutter.

So einfach es ist, Butter zu machen, so schwer ist es mitunter, richtig gute Butter zu machen. Ihr Geschmack hängt wie bei jedem Naturprodukt von zahllosen Faktoren ab: welche Kuh die Milch gibt, was sie gefressen hat und zu welcher Jahreszeit sie gemolken wird, ob und wie lange der Rahm gesäuert wurde, welche Bakterien dabei zum Einsatz kamen, wie sie geschlagen, geknetet und gelagert wurde. Traditionelle Senner im Bregenzerwald gehen gar so weit, zu sagen, dass das Wetter die Butter maßgeblich beeinflusst: Hat sich die Kuh nachts vor einem Gewitter gefürchtet, schmeckt am nächsten Tag die Milch anders.

Butter machen ist nicht schwer: Butterklümpchen, die beim Schleudern des Milchrahms entstehen, werden abgeseiht und dann zu größeren Butterstücken geknetet. (Hier ein Foto aus einem Rezept aus derStandard.at-EssBar für selbstgemachtes Schnittlauchbrot)

Fette Verhipsterisierung

Damit war Butter einst ein lokal höchst unterschiedliches, saisonales Produkt. Eine richtig gute Butter stand auf einer Stufe mit gutem Wein oder großem Käse. Moderne Supermarktbutter hingegen hat all diese Nuancen verloren: Sie wird aus der Milch tausender verschiedener Tiere hergestellt, die an verschiedenen, teils weit entfernten Orten gelebt und gefressen haben. Das Ergebnis ist nicht zwingend schlecht (meist wahrscheinlich deutlich besser als die oft ranzige Butter der schlechten alten Zeit) – aber sehr, sehr einheitlich.

In den vergangenen Jahren hat sich allerdings wie bei Wein, Bier oder Kaffee auch außerhalb traditioneller Butterzentren wie der Normandie eine Art Craft-Butter-Bewegung gebildet. In Spitzenrestaurants rund um die Welt ist es schick geworden, zum selbstgebackenen Brot auch selbstfermentierte Butter zu reichen. Das Noma, mehrfach als das beste Restaurant der Welt ausgezeichnet, bezog seine Butter viele Jahre vom Schweden Patrik Johannson, einem Buttermacher, der seine Butter teilweise im Torf vergräbt und reifen lässt. Und Dan Barber, einer der einflussreichsten Köche der USA, serviert in seinem Restaurant in New York "single-udder butter", Einzeleuterbutter, gemacht aus dem Rahm einer einzigen Kuh.

In Österreich traditionell besonders begehrt war die Alpbutter, also jene Butter, die hergestellt wird, während die Kühe im Sommer auf den hohen Wiesen grasen und kaum Heu, dafür aber jede Menge frisches Gras zu fressen bekommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg bis in die frühen 2000er-Jahre wollte sie trotzdem kaum jemand essen. Erst seit knapp zehn Jahren feiert sie unter Feinschmeckern langsam ein Comeback. Wenn sie gut und frisch ist, schmeckt sie nach all den köstlichen Kräutern, die auf den Almwiesen wachsen, und ist prächtig dunkelgelb, fast orange – geronnene Bergsonne eben. (Tobias Müller, 27.10.2019)