Als Teil eines türkis-blauen Sparprogramms wurde die Pauschale der Statistik um eine Million Euro ab 2019 gekürzt.

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Wien – Wer auch immer die kommende Regierung in Österreich bildet, wird sich mit einer Reihe von Finanzproblemen herumschlagen müssen. Da ist die Justiz. Sie erleidet laut dem zuständigen Minister in der Übergangsregierung, Clemens Jabloner, gerade einen "stillen Tod" wegen akuter Unterfinanzierung. Da ist das Bundesheer, das laut eigenen Angaben unterfinanziert ist und zusätzliche Milliarden braucht.

Auf die Liste mit den Problemfällen gehört nach STANDARD Informationen auch die Statistik Austria. Dabei geht es zwar um kleinere Beträge als bei Heer und Justiz. Das Finanzierungsproblem betrifft allerdings einen heiklen Punkt. Die Statistiker fungieren als oberster Datensammler der Republik. Sie erfassen gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag alle wichtigen Zahlen zu Bevölkerung, Wirtschaft und Arbeitswelt, liefern aber auch Daten zur Weinernte und zur Gesundheit der Österreicher.

Für die Finanzen zuständig: Gabriela Petrovic.

Der ausgegliederten Bundesanstalt Statistik Austria geht das Geld aus. Bereits im Jahr 2018 schrieb die Statistik Verluste in Höhe von 155.000 Euro. Heuer wird es erneut ein Minus geben, erwartet wird im Kanzleramt ein Minus von 1,8 Millionen. Im kommenden Jahr dürfte das Minus, so der aktuelle Stand, bei bis zu 1,5 Millionen liegen. Ab 2021 ist von über vier Millionen die Rede. In diesem Jahr muss die Statistik Austria wieder eine umfassende Registerzählung durchführen – das waren früher die Volkszählungen.

Von offizieller Seite will diese Zahlen niemand bestätigen. Die zuständigen Leiter, Gabriela Petrovic, die kaufmännische Geschäftsführerin der Statistik, und Konrad Pesendorfer, der fachliche Chef, wollten sich nicht äußern.

In die Causa Involvierte sprechen aber von einer "substanziellen Budgetlücke" und werfen sogar die Frage auf, was passiert, wenn die Statistik eines Tages ihre Rechnungen nicht zahlen kann.

Konrad Pesendorfer ist seit 2010 fachlicher Chef der Statistik.
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Noch ist es nicht so weit. Die Statistik hat eine Gewinnrücklage aufgebaut, in der Vergangenheit hat sie viele Jahre mit Gewinn abgeschlossen. Auf diese Rücklage greift die Geschäftsführung zurück, um die Verluste abzudecken. Die Gewinnrücklage von zuletzt acht Millionen Euro dürfte bei den aktuell prognostizierten Verlusten aber in drei Jahren aufgebraucht sein. Um zahlungsfähig zu bleiben, müsste die Statistik eine Reihe von Erhebungen streichen. Was allerdings rechtlich problematisch wäre, weil sich Österreich in der EU verpflichtet hat, eine Vielzahl an Daten für Eurostat bereitzustellen. Dieser Spielraum ist also gering.

Dasselbe gilt beim Personal. 800 Mitarbeiter beschäftigt die Statistik. Im Jahr 2000 waren es noch 1070. Über die Nichtnachbesetzung von Stellen wurden viele Posten also schon eingespart.

Woher rühren die Finanzprobleme?

Die Statistik wurde im Jahr 2000 als eigenständige Bundesanstalt geschaffen. Sie erhält vom Staat laufend einen Pauschalbetrag: Seit 2001 waren das 50,4 Millionen Euro jährlich. Das war zunächst mehr Geld als erforderlich, wie der Rechnungshof einmal festhielt, zumal die Statistik Personal einsparte und so die Gewinne erwirtschaftete. Doch bis heute wurden die Beträge nicht an die Inflation angepasst, wobei die Personalkosten durch steigende Löhne und das zunehmende Alter der Bediensteten gestiegen sind.

Die türkis-blaue Koalition hat die Situation verschärft. Als Teil eines Sparprogramms bei ausgegliederten Einheiten, Motto "Sparen in der Verwaltung", wurde die Pauschale der Statistik um eine Million Euro ab 2019 gekürzt. Daneben bekommt die Anstalt Geld von Ministerien, wenn sie Datenauswertungen für diese erstellt. Doch der Spardruck hat auch hier dazu geführt, dass die Aufträge begrenzt bleiben.

In der Bilanz 2018 geht die Geschäftsführung der Statistik auf die Entwicklungen ein: In den vergangenen Jahren sei laufend rationalisiert worden. Inzwischen gebe es nur noch "geringfügige zusätzliche Potenziale" für Einsparungen. Was geschehen soll, wenn die Reserven in absehbarer Zeit aufgebraucht sind, weiß niemand.

Eine Möglichkeit, das Problem zu lösen, wäre für die neue Regierung, den Pauschalbeitrag aufzustocken. Das würde aber voraussetzen, dass die Verantwortlichen im wohl wieder türkisen Kanzleramt zu einer Kursumkehr bereit sind und mehr statt weniger Geld geben.

Doch keine Daten für Forscher

Eine andere Hoffnung war, über eine engere Zusammenarbeit mit der Forschung, der mehr Daten geliefert werden sollten, zusätzliche Einnahmen zu generieren. Doch die zuständige Abteilung für Kontakte mit der Wissenschaft wurde in der Statistik 2019 aufgelöst. Der Aufbau eines neuen Datawarehouses wurde gestoppt. Dieses Projekt war Teil des Versuchs, Externen besseren Datenzugriff zu bieten.

Diese Umstrukturierungen sind ein Politikum, seit sie im Februar bekannt geworden sind. Das Kanzleramt unter Sebastian Kurz (ÖVP) hatte nämlich die Neuorganisation in der Statistik eingeleitet. Unter anderem wurde die aktive Presseabteilung dort verkleinert. Kritiker sahen darin den Versuch, die Außenkommunikation der Statistik unter dem SPÖ-nahen Pesendorfer stärker an das türkise Kanzleramt anzukoppeln. Im Kanzleramt dagegen wurden die Änderungen mit notwendigen Einsparungen begründet.

Aus dem Kanzleramt unter Brigitte Bierlein hieß es am Donnerstag, dass die Verluste durch die Gewinnrücklage gedeckt sind und man "aktuell keinen Handlungsbedarf" sieht. Der Ökonom Harald Oberhofer, der sich bei der Plattform Registerforschung für einen besseren Zugang der Wissenschaft zu Daten einsetzt, fordert rasche Reformen. Die Statistik Austria agiere heute noch wie ein "Datenbunker". Wissenschafter hätten keinen Zugang zu wichtigen Firmendaten, etwa um untersuchen zu können, ob Firmen, die hohe Forschungsförderungen lukrieren, auch innovativer werden. In anderen Ländern, etwa Dänemark, sei man viel weiter. (András Szigetvari, 25.10.2019)