Was braucht Österreich in den kommenden Jahren? Nicht von ungefähr stellt DER STANDARD zum Nationalfeiertag diese Frage. Wir leben in Zeiten des Umbruchs ohne absolute Wahrheiten – und damit auch in Zeiten der Verunsicherung. Nichts bleibt so, wie es einmal war, nicht einmal das Wetter. In einer globalisierten Ökonomie sorgt jede Konjunkturdelle für Nervosität und Stress. Stress sorgt für Gereiztheit, diese entlädt sich in teilweise wüsten Entgleisungen, analog und online. Manchmal, so scheint es, ist jeder gegen jeden, die Solidarität schwindet, viele suchen nach einfachen Antworten – und finden sie bei Populisten und Nationalisten, die wiederum alle gegeneinander aufhetzen.

Sagen wir so: Der Status quo der Welt ist verbesserungswürdig, was den Zustand Österreichs mit einschließt. Das haben auch die Parteien im jüngsten Wahlkampf erkannt und auf ihre Weise interpretiert. Keine Wahlkampagne kam ohne Appell an den Klimaschutz aus, keine Politikerrede ohne Bekenntnis zum "Standort Österreich". Sowieso wollen alle, dass Österreich digital, Breitband und KI wird. Die Frage ist: Reicht das?

Ein breiterer und tieferer Ansatz wäre, darüber nachzudenken, was Menschen neugierig, innovativ und zukunftsfroh macht. Was braucht es, um die Stimmung diesbezüglich zu heben? Wahrscheinlich muss man ganz von vorn beginnen – bei den ganz Jungen.

Investieren, wo es sinnvoll ist

Das bedeutet: Das Bildungssystem gehört auf den Kopf gestellt. Lernen im Sinne von Entdecken, Ausprobieren, Verwerfen, Adaptieren – das tun Kinder von Geburt an, und das gilt es zu fördern. Und: Das kindliche Interesse ist allumfassend, es muss bereits im Kindergarten ausgiebig bedient werden. Wer einmal miterlebt hat, mit welcher Begeisterung kleine Mädchen bei der Kinderführung im Vienna Bio-Center ihren eigenen "Feuerlöscher" bauen, versteht, dass das Interesse Chemie, Physik und Mathematik weder eine Frage der Persönlichkeit noch des Geschlechts sind – sondern eine der Vermittlung.

Der Status quo der Welt ist verbesserungswürdig, was den Zustand Österreichs mit einschließt.
Foto: APA/ROBERT JAEGER

Klingt einfach, aber der Teufel steckt im Detail. Denn das bedeutet: Ausflüge, Exkursionen, Labors, projektbezogene Arbeit und individueller, auf jedes Kind abgestimmter Unterricht. Kurzum: mehr und besser geschultes pädagogisches Personal – am Vormittag und am Nachmittag.

Bemerkenswert ist, dass die derzeitige Beamtenregierung erkannt hat, dass "Sparen in der Verwaltung" nicht bedeuten darf, dass man überall stupide den Rotstift ansetzt – sondern dort investiert, wo es sinnvoll ist.

Eine Änderung im Mindset der Österreicher hieße aber auch, dass sich im Wirtschaftsleben einiges ändern muss: Wer etwas ausprobiert und damit scheitert, sollte dafür nicht abgestraft werden. Richtiges Scheitern sollte man lernen wie Skifahren. Wenn man hinfällt, steht man eben wieder auf.

Neu denken muss man auch das Thema Gerechtigkeit – im Steuer- und Abgabenrecht und in seinem weitesten Sinne: Flexible Arbeitszeiten, Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind keine "Frauensache". Selbst in den sonst so modernen IT- und Telekom-Unternehmen herrscht immer noch das ungeschriebene Gesetz, dass sich Jungväter, die in Elternteilzeit gehen, selbst aus der Karrierekurve schmeißen. Wer in Chefetagen so tickt, handelt zukunftsvergessen.

Zu tun gäbe es genug für jede neue Regierung. Sie muss es nur erkennen – und sich dann auch getrauen. (Petra Stuiber, 26.10.2019)