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Wien – Die Arbeiterkammer (AK) sieht angesichts der schwächeren Konjunktur und damit eines erwarteten Anstiegs der Arbeitslosigkeit arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf. Für ältere und seit längerer Zeit arbeitslose Arbeitnehmer will die AK eine "Chance 45" nach der abgeschafften Aktion 20.000. Gefordert werden unter anderem auch ein "Qualifizierungsgeld" für Weiterbildung und mehr Personal fürs AMS.

Es gebe Befürchtungen, dass es zu einer Konjunktureintrübung kommt und die Arbeitslosenzahlen steigen. Es gebe zu viele Arbeitslose, und man müsse jetzt gegensteuern, bevor es noch mehr werden, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl am Donnerstag zu Beginn einer Veranstaltung zum Thema "Darf's ein bisserl fair" sei.

Präsentiert wurden bei der Veranstaltung die Forderungen an die künftige Regierung und eine Online-Umfrage unter AK-Mitgliedern über deren Erwartung an die Arbeitslosenversicherung und das Arbeitsmarktservice (AMS).

Mit der Chance 45 – einer "AK-Weiterentwicklung" der abgeschafften Aktion 20.000 – sollen für über 45-Jährige, die länger als zwei Jahre arbeitslos waren, zusätzliche Arbeitsplätze im gemeinnützigen Bereich, etwa in Gemeinden, geschaffen werden. Als Träger der aus öffentlichen Mitteln finanzierten Aktion werden etwa öffentliche Stellen oder gemeinnützige Vereinigungen vorgeschlagen. Die Teilnahme soll freiwillig sein. Die Bezahlung soll dem AK-Vorschlag zufolge nach Kollektivvertrag erfolgen, mindestens aber den gewerkschaftlich geforderten kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.700 Euro betragen.

Kosten von 270 Millionen Euro erwartet

Die Mehrkosten würden sich laut AK-Berechnungen bei 40.000 solcher Arbeitsplätze auf rund 270 Millionen Euro pro Jahr belaufen, wenn die Einsparungen bei der Notstandshilfe und Mehreinnahmen bei Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben berücksichtigt werden. Pro Person werden rund 7.000 Euro bei diesen Mehrkosten angenommen. Der Nationalrat hat im September eine zusätzliche Förderung von über 50-Jährigen Langzeitarbeitslosen über das AMS von je 50 Millionen Euro für 2020 und 2021 beschlossen.

Früherer Kritik an der Aktion 20.000 in puncto Nachhaltigkeit hält die AK entgegen, dass es darum gehe, neue sinnvolle Beschäftigungsverhältnisse zu finden. Die Arbeitslosigkeit von mehr als zwei Jahren Dauer hat sich laut AK bei den über 45-Jährigen seit 2008 vervierfacht. Angesichts eines drohenden Konjunkturabschwungs und eines Strukturwandels etwa durch die Digitalisierung werde die Gefahr dauerhafter Ausgrenzung aus dem Arbeitsmarkt noch stiegen, befürchtet die AK.

Stellenabbau

Für das AMS fordert die AK mehr Personal, um die persönliche Betreuung zu verbessern. Der geplante Abbau von 200 Planstellen müsse gestoppt werden. Es sollten bis zu 500 zusätzliche Planstellen bewilligt werden, fordert die AK. Das AMS hat im Jahr 2015 aufgrund hoher Arbeitslosenzahlen rund 400 neue Beschäftigte bekommen, mit der Auflage der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung, 200 davon wieder abzubauen, wenn die Arbeitslosigkeit merklich sinkt. Dies soll nun mit natürlicher Fluktuation (Pensionierungen, Fluktuationen) bis Ende 2020 umgesetzt werden.

Für Gernot Mitter, Leiter der Abteilung Arbeitsmarkt in der AK Wien, ist ein Diskurs der künftigen Bundesregierung auch mit der organisierten Arbeitnehmerinteressenvertretung wichtig. Die Arbeitsmarktpolitik müsse in den nächsten fünf Jahren einen Beitrag zu wichtigen Veränderungen – Stichworte wie Demografie, Digitalisierung und Dekarbonisierung – leisten.

Die AK-Forderungen an die künftige Regierung basieren auch auf Ergebnissen aus der Umfrage, an der fast 9.000 AK-Mitglieder teilgenommen haben. Die Befragten wollten unter anderem eine bessere Betreuung und Vermittlung von Jobs durch das AMS, ein Recht auf Qualifizierung und eine gute Absicherung bei Arbeitslosigkeit. (APA, red, 24.10.2019)