In zwei Säuglingsmilchprodukten von Nestlé und einem Produkt von Novalac sind Rückstände von Mineralöl entdeckt worden. Foodwatch Deutschland fordert den Rückruf der Produkte, die in Deutschland und Österreich auf dem Markt sind.

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Berlin/Wien – In mehreren Milchpulver-Produkten für Säuglinge sind laut der deutschen Verbraucherorganisation Foodwatch Rückstände potenziell krebserregender Mineralöle gefunden worden. Bei drei von vier in Deutschland gekauften Produkten seien Verunreinigungen mit aromatischen Kohlenwasserstoffen (MOAH) nachgewiesen worden, zwei davon seien auch in Österreich erhältlich.

Foodwatch berief sich auf unabhängige Laboranalysen. Es geht um Werte zwischen 0,5 und drei Milligramm pro Kilo, heißt es vonseiten der Konsumentenschützer. Die Organisation fordert Null-Toleranz beim Gehalt dieser Stoffe in Lebensmitteln – einen gesetzlichen Grenzwert gibt es bisher nicht.

Es bestehe keine akute Gesundheitsgefahr, sagt ein Foodwatch-Sprecher. Dennoch forderte die Organisation einen sofortigen Verkaufsstopp und den Rückruf der betroffenen Produkte in Deutschland und Österreich. Eltern sollten Kinder vorsorglich nicht damit füttern.

Stellungnahmen der Produzenten

Die Rückstände wurden demnach in "Beba Optipro Pre, 800 Gramm, von Geburt an" und "Beba Optipro 1, 800 Gramm, von Geburt an" von Nestlé nachgewiesen, außerdem in der "Novalac Säuglingsmilchnahrung Pre, 400 Gramm". Nestlé reagierte auf die Vorwürfe: "Wir möchten allen Müttern und Vätern versichern, dass die Babys weiterhin sicher mit unserer Säuglingsnahrung gefüttert werden können", heißt es in einer Aussendung.

"Die Babymilchpulver ‚Beba Optipro Pre‘ und ‚Beba Optipro 1‘ erfüllen alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften in der EU", hielt das Unternehmen in der von Nestlé Österreich an die APA übermittelten Stellungnahme fest. Die von Foodwatch erhobenen Vorwürfe würden aber sehr ernst genommen.

Die hinter Novalac stehende Kölner Firma Vived teilte am Donnerstagnachmittag mit, dass sie die Testergebnisse sehr ernst nehme und mit dem Hersteller entsprechende Untersuchungen eingeleitet habe. "Inwieweit die Vorwürfe nachvollziehbar sind, können wir zurzeit noch nicht beantworten", so Vived.

Weißblechdosen als mögliche Quelle

Der Lebensmittelverband Deutschland erklärte generell, dass es eine Null-Toleranz für Mineralölkohlenwasserstoffe und ähnliche Substanzen "auch aufgrund der umweltbedingten und folglich unvermeidbaren Grundbelastung kaum geben" könne. Aus heutiger Sicht sei dies auch gesundheitlich nicht problematisch. Die Lebensmittelwirtschaft arbeite kontinuierlich daran, zur Reduzierung des Eintrags beizutragen.

Das Vorkommen von Mineralöl-Bestandteilen in Lebensmitteln sei seit einigen Jahren bekannt und unerwünscht, erklärt Werner Windhager von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES). In Lebensmittel gelangen Mineralölverbindungen aus unterschiedlichen Eintragsquellen wie zum Beispiel durch Schmierstoffe aus Maschinen zur Ernte, im Herstellungs- oder Verpackungsprozess bzw. aus bestimmten Lebensmittelverpackungen, etwa Recyclingkartons.

Auch eine umweltbedingte Grundbelastung von Lebensmittelrohstoffen mit Mineralölkohlenwasserstoffen, etwa durch Abgase von Benzinmotoren, Emissionen aus Energieversorgungs- und Industrieanlagen sowie Feinstaub asphaltierter Straßen sei möglich. Einige Pflanzen enthalten sogar von Natur aus gewisse Kohlenwasserstoff-Verbindungen (Pflanzenwachse), erklärt Windhager. Foodwatch vermutet im aktuellen Fall, dass Weißblechdosen, in denen manche Hersteller ihr Milchpulver anbieten, Quelle der Verunreinigungen sein könnten.

VKI hält Forderung nach Rückruf gerechtfertigt

Mineralöle sind komplexe Gemische aus Kohlenwasserstoffverbindungen die in gesättigter Form (MOSH – mineral oil saturated hydrocarbons) und aromatischer Form (MOAH – mineral oil aromatic hydrocarbons) vorkommen. Natürliche Kohlenwasserstoff-Verbindungen in Pflanzenwachsen sind den MOSH in ihrer chemischen Struktur sehr ähnlich und daher von diesen analytisch schwer zu unterscheiden. Wie eine Studie der Europäischen Agentur für Lebensmittelsicherheit EFSA zeigt, nehmen Menschen täglich zwischen 0,03 Milligramm und 0,3 Milligramm MOSH pro Kilogramm Körpergewicht über Lebensmittel auf. Die Aufnahme von MOAH liegt laut AGES bei etwa 20 Prozent der Werte für MOSH, also zwischen 0,006 Milligramm und 0,06 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag.

Seitens der EU-Kommission befinde sich eine derzeit durchgeführte Monitoringaktion zur Datensammlung von Verunreinigungen von Mineralölkohlenwasserstoffen in Lebensmitteln in seiner Endphase, so Windhager. Basierend auf diesen Ergebnissen können auf europäischer Ebene gezielt Minimierungsmaßnahmen und rechtliche Vorgaben ausgearbeitet werden, um den Gehalt an Mineralölen in Lebensmitteln zu senken bzw. eine Kontamination zu vermeiden. In Österreich werden im Rahmen des nationalen Kontrollplans Produktgruppen auf Mineralölkontaminationen geprüft.

MOAH "gehören definitiv nicht in Lebensmittel", sagt Birgit Beck, Ernährungswissenschafterin beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). Die Forderungen nach Rückruf und Verkaufsstopp seien gerechtfertigt, ebenso wie eine Null-Toleranz beim Nachweis in Säuglingsnahrung. Das Problem sei zwar bekannt, aber vergleichsweise neu, deshalb fehlten Grenzwerte. Eltern rät die VKI-Expertin bezüglich der beanstandeten Produkte: "Ich würde sie derzeit nicht verwenden, außer es gibt Entwarnung." Als Alternative verwies sie auf in Beutel und eine Kartonumverpackung gefüllte Milchpulver. "Bei einem Test solcher Produkte hat der VKI im Jahr 2016 keine dieser Substanzen nachgewiesen", sagt Beck. Pulver aus Dosen waren damals nicht untersucht worden. (APA, red, 26.10.2019)