Wenn Sie auf den neuen, alten Trend aufspringen und selbst etwas fermentieren wollen, um den Darm mit gesunder Probiotik zu unterstützen, dann lege ich Ihnen Milchkefir als "Einstiegsdroge" ans Herz. Mit seiner langen Liste an gesunden Inhaltsstoffen ist Milchkefir wie Hochleistungsjoghurt.

Foto: Ella Josephine Esque

Selbstgemachter Kefir liegt geschmacklich irgendwo zwischen Joghurt, Buttermilch und Frischkäse. Seine Konsistenz ist etwas flüssiger als die von Joghurt. Echter "hausgemachter" Kefir prickelt etwas auf der Zunge, speziell wenn man ihn noch ein, zwei Tage in einem verschlossenen Glas im Kühlschrank stehen lässt. Die Säure wird dadurch noch etwas feiner, und der Kefir beginnt zu perlen wie guter Champagner.

Foto: Ella Josephine Esque

Was ist Kefir eigentlich?
Das Ausgangsmaterial sind Kefirkörner, kleine, geleeartige, blassgelbliche, unregelmäßig geformte Knöllchen, die einzeln betrachtet wie unförmige Mini-Karfiolköpfe ausschauen. Diese Kefirknöllchen bestehen aus Milchsäurebakterien (Laktobazillen) und Hefen, eingebettet in eine schleimige Polysaccharid-Matrix, Kefiran genannt, die von den Laktobazillen produziert wird. Zusätzlich enthalten sie diverse Mikroorganismen, die in einer symbiotischen Beziehung zueinander stehen. Wer mit Kefir anfängt, holt sich also sehr interessante und liebenswerte neue Haustierchen nach Hause.

Zutaten:
• 1 EL Kefirkörner
• 1 Liter Milch

Zubereitung:
• Die Kefirkörner in ein Glas geben, Milch darübergießen und einmal durchrühren. Die Milch mit den Kefirkörnern lässt man dann zwei bis drei Tage fermentieren.

• Nach der Fermentation alles in ein Sieb leeren. Da der Milchkefir eher dickflüssig ist, mit einem Löffel vorsichtig hin und her streichen, denn die Knollen selbst sollten möglichst sanft behandelt werden.

• Das Glas reinigen. Die Kefirknollen nicht mit Wasser abwaschen, sondern einfach so wieder in das Glas leeren. Dann nochmals mit Milch aufgießen und die Schritte wie oben beschrieben wiederholen. Wenn die Kefirkörner etwas schleimig werden und weiße Fäden ziehen, nicht erschrecken, das ist genau richtig.

Foto: Ella Josephine Esque

Equipment:
Ein Glas, ein Löffel und ein Sieb. Aus.
In manchen Anleitungen steht, dass Kefir auf keinen Fall mit Metall in Kontakt kommen darf, deshalb müsse ein Plastiksieb verwendet werden. Das stimmt aber nicht. Man sollte Kefir nicht in Metallbechern fermentieren, doch wenn er beim Abseihen Kontakt mit Metall hat, macht das gar nichts. Der Irrglaube ist so weit verbreitet, dass sogar Sandor Katz in "Die Kunst des Fermentierens" eigens dazu den "Internet-King des Kefirs" Dominic Anfiteatro zitiert, der dazu ein Experiment gemacht hat: "Wir haben unseren Kefir monatelang mit Sieben aus rostfreiem Stahl abgeseiht und fanden am Ende keinen Beweis für irgendwelche Beschädigung der Körner oder der Mikroflora."

Temperatur:
Faustregel: Raumtemperatur. Kefir mag alles zwischen 17 und 25 Grad Celsius. Wie immer beim Fermentieren: je niedriger die Temperatur, desto langsamer die Fermentation, je höher die Temperatur, desto mehr läuft alles auf Turbo.

Wann ist der Kefir fertig?
Das ist natürlich etwas subjektiv. Die Milch ist fertig fermentiert, wenn sie sichtbar und gleichmäßig eingedickt ist. Man kann den Kefir auch länger stehen lassen, vor allem, wenn man es saurer mag. Wie erwähnt, verfeinert sich die Säure, wenn man den fertigen Kefir noch für ein, zwei Tage in einem verschlossenen Glas im Kühlschrank nachreifen lässt. Am Anfang einfach jeden Tag kosten, bis man weiß, was einem schmeckt. Persönlich lasse ich ihn meistens drei bis fünf Tage stehen, danach wird mir der Geschmack zu sauer.

Welche Milch?
Kefir funktioniert zwar mit jeder Milchsorte, liebt aber fette Milch. Deshalb sollte man, vor allem, wenn man fettarme Milch bevorzugt, dem Kefir zwischendurch etwas Fettes gönnen, zum Beispiel einen Schuss Schlagobers nach jedem zehnten Fermentationsdurchgang. Kefir kann man auch ganz wunderbar mit Schafs- oder Ziegenmilch machen.
Kefir lässt sich auch sehr gut mit "Pflanzenmilch" wie Kokos-, Soja- oder Mandelmilch ansetzen. Allerdings muss man zwecks Pflege den Kefir alle zwei Wochen an tierische Milch heranlassen, sonst sterben die Kefirknöllchen ganz langsam den Hungertod.

Mengenverhältnis Kefir – Milch:
In der Literatur wird zumeist zu einem fünfprozentigen Anteil von Kefirkörnern am Ansatz geraten. Also kommen auf einen Liter Milch circa 50 Gramm Kefirkörner. Dazu schreibt Sandor Katz: "Eine Gruppe argentinischer Wissenschaftler experimentierte mit Kefirkörnern in Milch in anderen Verhältnissen und stellte gravierende Unterschiede im daraus resultierenden Kefir fest. Eine einprozentige Impfung hatte ein 'dickflüssiges und nicht sehr saures' Produkt zur Folge, während eine zehnprozentige Impfung 'ein saures Getränk mit geringer Dichte und sprudelnderem Geschmack' ergab." Seine Empfehlung ist deshalb ein Kefirkörner-Anteil von mehr als fünf und weniger als zehn Prozent der Milchmenge.

Allgemeine Tipps und Tricks:
Kefirkörner sind tatsächlich ein wenig wie Haustiere. Man muss sie füttern, und zwar regelmäßig, sonst sterben sie. Am besten baut man eine Art Routine auf. Ich fermentiere momentan circa einen halben Liter alle zwei bis drei Tage. Das passt genau für mich. Die Körner werden mit der Zeit immer mehr.

Wo bekommt man Kefirkörner?
Am besten von Freundinnen und Bekannten, die zu Hause Kefir machen. Wer da nicht weiterkommt: Ich habe eine Fermentier-Beratungs-Gruppe auf Facebook, "Der diskrete Charme des Fermentierens". Da gibt es eine Fermentier-Kulturen-Tausch-Liste mit Milchkefir, Wasserkefir, Kombucha und manchmal sogar Sauerteig zum Tauschen. Oder Sie kommen in einen meiner Workshops und holen sich bei mir welchen ab, solange der Vorrat reicht.

Foto: Ella Josephine Esque

Wie kann ich Kefir genießen?

Für alle, die sich jetzt fragen, wie man Kefir gebrauchen kann, außer ihn pur zu trinken: Man verwendet ihn wie Joghurt. Man kann mit Kefir die wunderbare Okroshka von Tobias Müller nachkochen, eine kalte Suppe für den Sommer, oder damit Tworog oder Tulum machen, einen einfachen, aber köstlichen russischen beziehungsweise türkischen Frischkäse.
Interessierte können auf meinen Blog nachlesen, wie man fermentierte Sommerlimonade einfach selber macht: Alpen-Sprite oder: Fichtennadeltee, fermentiert mit Wasserkefir. Was auch sehr gut ist: Kefir mit dem Klassiker der Jahreszeit: Fermentierte Tomaten. (Ella Josephine Esque, 20.8.2020)

Weitere Rezepte von Ella Josephine Esque:
Steirisches Osterbrot: Das Weihbrotrezept der Glirschn-Oma
Ein jüdischer Neujahrswunsch: Nudel-Kugel mit Fermenten
Beschwipstes Ferment: Amaretto aus Zwetschkenkernen