Seine üblen Taten lassen Macbeth, also Placido Domingo, auch in der Nacht nicht los.

Pöhn

Kommt er oder kommt er nicht? – es ist in Österreich nicht die Frage. Während Placido Domingo wegen Vorwürfen sexueller Belästigung in Übersee einiges an Auftritten abgesagt hat, ist ihm hierzulande Jubel quasi im Sinne der Unschuldsvermutung sicher. Im Sommer war dies etwa bei den Salzburger Festspielen der Fall. An der New Yorker Met hat er hingegen seine Karriere beendet, statt in "Macbeth" aufzutreten, und in Los Angeles legte er sein Amt als Generaldirektor zurück. Auftritte mit Orchestern wurden ebenfalls abgesagt, wie Domingo auch den mexikanischen Musikpreis "Premio Batuta" doch nicht erhielt. Da summierte sich doch einiges.

Vielleicht auch ob der ganzen Debatten wirkt er als Verdis Macbeth an der Wiener Staatsoper zunächst etwas fragil. In dieser trostlosen Bunkerlandschaft der recht trostlos wirkenden Regie von Christian Räth steigert sich der Jahrhundertsänger jedoch schließlich zum melancholischen Machtmonster, das die Last und Dramatik seiner grässlichen Taten mit letztlich aggressivem Trotz trägt.

Das gewisse Etwas

Domingos Stimme leuchtet dann mitunter in kostbaren Farben auf. Es ist sein typisches Timbre immer noch mit diesem gewissen Etwas versehen, das alle Schwächen fast vergessen lässt. Er ist zudem immer noch der bemerkenswerte Intensitätskünstler, der Linien und Töne mit emotionaler Strahlkraft aufzuladen vermag.

Um Domingo herum solides Mittelmaß: Ryan Speedo Green (als Banquo) ist damit gemeint wie auch Tatiana Serjan (als Lady Macbeth), die immerhin nach recht vulgär-dramatischem Beginn zu einer gewissen Ausgewogenheit findet und mit Jinxu Xiahou (als Macduff) und Carlos Osuna (als Malcolm) gleichzieht.

Er kommt wieder

Das Orchester unter Giampaolo Bisanti ist dem Ganzen ein kultivierter und recht munterer Assistent. Nach Szenenapplaus für Domingo gab es für den Sänger schließlich auch finale solidarische Ovationen – und Blumen. In Europa wird es für Domingo auf der Bühne denn auch weitergehen: 2020 hört man ihn u.a. in Berlin, Hamburg und Mailand; an die Wiener Staatsoper wird er für Verdis "Nabucco" und "Traviata" wiederkehren. (Ljubisa Tosic, 26.10.2019)