Einhundert Jahre nachdem das Wahlrecht für Frauen umgesetzt wurde, ist der Weg hin zu Gleichberechtigung noch lange nicht zu Ende. Die aktuelle Ausgabe der Jahreszeitschrift Das Jüdische Echo zeigt allerdings, dass für diesen Weg der Blick nach vorn und darauf, was alles noch zu tun ist, nicht ausreicht. Es braucht auch eine Vervollständigung der Geschichte, weshalb die 68. Ausgabe mit dem Titel "Starke Frauenstimmen" seinen Schwerpunkt auf Zeitgeschichte legt – ohne auf die verbleibenden und neuen Probleme zu vergessen, die das Leben von Frauen heute noch mitbestimmen.

Co-Chefredakteurin dieser Ausgabe ist die Journalistin Anna Goldenberg, die mit Chefredakteur Erhard Stackl exzellente Autorinnen gewinnen konnte. Die Wissenschafterin Christine Kanzler erinnert zum Beispiel an jene Handlungsfelder, in denen Frauen während des Nationalsozialismus Widerstand leisteten, die oft übersehen wurden. Die notwendige Organisation der Kommunikation und Aufrechterhaltung der gesamten Infrastruktur passt bis heute nicht ins Bild des Widerstands und ebnete dem Vergessen von Widerstandskämpferinnen den Weg.

Die Autorin Renate Welsh erzählt die Geschichte der Schauspielerin Dorothea Neff, die ihre Partnerin Lilli Wolf zwischen 1941 und 1945 in ihrer Wiener Wohnung versteckte, und STANDARD-Journalistin Olga Kronsteiner berichtet von Künstlerinnen, deren Namen durch die künstlerische Zäsur im Zweiten Weltkrieg in Vergessenheit gerieten.

Die Reminiszenzen an die übersehene und durch Vertreibung verhinderte politische, kulturelle und gesellschaftliche Arbeit von Frauen legen auch eine Spur zu den Beiträgen über aktuelle Diskriminierungen. Dass Herkunft, Geschlecht oder Alter in digitaler Kommunikation keine Rolle mehr spielten – diese Vorstellung hat sich bekanntlich nicht bewahrheitet. Vielmehr sind Antisemitismus, Rassismus und Sexismus im Internet ständig präsent – und sie sind eine der neueren Formen des Hasses, mit der sich Ingrid Brodnig für Das Jüdische Echo befasst. Es sind gewichtige Beiträge, die die Zeitschrift in diesem wichtigen Gedenkjahr für Frauenrechte versammelt und die jedes feministisch angehauchte Bücherregal bereichern. (Beate Hausbichler, 27.10.2019)