Pamela Rendi-Wagner gerät als SPÖ-Chefin immer wieder in Erklärungsnotstand – und löst diesen mit mäßigem Erfolg.

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Vergangene Woche geisterte wieder einmal das Gerücht herum, Pamela Rendi-Wagner werde als SPÖ-Chefin abgelöst. Ihr sollte Doris Bures, mittlerweile zur Zweiten Nationalratspräsidentin gewählt, nachfolgen. Das stimmt aus mehrerlei Gründen nicht. Rendi-Wagner ist nach wie vor kämpferisch, sie will nicht von sich aus aufgeben. Doris Bures, die ihr nachfolgen könnte oder sollte, will das jedenfalls selbst gar nicht. Sie ist mit ihrer Rolle im Nationalratspräsidium sehr zufrieden und würde den Job als SPÖ-Chefin nur antreten, wenn sie von der Partei dazu gezwungen werde. Nicht aber gerne und freiwillig. Was nicht unbedingt die beste Voraussetzung für dieses Amt ist.

Abgesehen von den persönlichen Befindlichkeiten der beiden Frauen gibt es derzeit in den Führungsgremien der SPÖ auch keine Mehrheit, die eine solche Rochade betreiben oder gutheißen würde. Es ist zwar allen klar, dass Rendi-Wagner angeschlagen ist und die Partei nicht auf Dauer führen wird, der Zeitpunkt für einen Wechsel an der Führung wäre jetzt aber ungünstig. Vor allem deshalb, weil kein überzeugender Alternativkandidat oder eine -kandidatin in Sicht ist. Mag sein, dass die Sichtweise nach einem allfälligen steirischen Wahldebakel eine andere ist.

Linientreu und machtbewusst

Bures wäre jedenfalls nur eine Verlegenheitslösung. Eine, die auf die Schnelle zwar gut funktionieren würde und Ruhe in die Partei bringen könnte, die als Signal nach außen aber nicht das ist, was sich viele wünschen – ein Zeichen der Erneuerung. Bures ist 57 Jahre alt, sie ist seit fast 40 Jahren in der Politik, war immer eine brave Funktionärin, linientreu, angepasst, machtbewusst. Sie hat innerhalb der Partei eine eindrucksvolle Karriere hingelegt, war aber immer Teil des Kaders, von dem sich mittlerweile auch innerhalb der SPÖ viele eine Veränderung wünschen. Bures jedoch gilt als Bewahrerin – und stellte sich am Montag im Ö1-"Morgenjournal" aber hinter Rendi-Wagner: "Man kann im Leben nie etwas ausschließen, aber wenn Sie mich heute fragen, kann ich sagen, dass wir mit Pamela Rendi-Wagner die richtige Frau an der Spitze der Sozialdemokratie haben und ich alle einlade sie zu unterstützen."

Den Vorwurf des "Bewahrens" muss sich mittlerweile übrigens auch Rendi-Wagner nachsagen lassen, obwohl sie erst seit 2017 in der Politik mitmischt und auch nicht länger Mitglied der SPÖ ist. Die noch von ihrem Vorgänger Christian Kern in die Wege geleiteten Reformen zur Öffnung und Verjüngung der Partei wurden beim ersten Parteitag unter dem Vorsitz von Rendi-Wagner wieder zu Grabe getragen. Die neue Parteichefin wollte offenbar die mächtige Wiener Funktionärsclique nicht überfordern.

Beschwichtigungsstrategie

Einen Sonderparteitag, der die Partei auffrischen soll, wie das intern gefordert wird, lehnt Rendi-Wagner auch ab. Stattdessen soll das desaströse Ergebnis der letzten Wahl ausgiebig in den Gremien diskutiert und analysiert werden. Mit den üblichen Floskeln wird eine Modernisierung der Partei versprochen – die gängige Beschwichtigungsstrategie.

Dass Rendi-Wagner ausgerechnet Christian Deutsch zum Bundesgeschäftsführer machte, sorgte in weiten Teilen der Partei für Irritation und bei manchen auch für lautstarke Empörung. Deutsch wird nicht nur als Wahlkampfmanager für mehrere Schlappen verantwortlich gemacht, seine Gegner sehen ihn auch als Ausgangspunkt von Intrigen, die Unruhe in die Funktionärsebene bringen. Es ist nur eine kleine Blase, die aber ist gut vernetzt und laut: Ihr gilt Deutsch als Musterbeispiel eines Apparatschiks, als Totengräber eines Erneuerungsprozesses.

Kein frischer Wind

Eine vergebene Chance war auch die Zusammensetzung des sechsköpfigen Teams, mit dem Rendi-Wagner zu den Sondierungen mit der ÖVP angetreten ist. Das Team spiegelte die Machtverteilung in der Partei wider, dementsprechend war kein Junger oder ein Quergeist vertreten – wieder ein Affront gegen diejenigen in der Partei, die sich etwas frischen Wind von Rendi-Wagner erwartet hatten. Der breiten Funktionärsschicht ist das zwar egal, dem Parteinachwuchs wird aber verlässlich eine Enttäuschung beschert. Dessen Artikulation macht ordentlich Stimmung – parteiintern und nach außen hin.

"Sind 21 Prozent noch immer zu viel?", hatte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser vergangene Woche angesichts der internen Debatten entnervt gefragt. Eine personelle Antwort auf die Krise der Partei hat er aber genauso wenig anzubieten wie andere Funktionäre, die sich mit Rendi-Wagner zusammenzuraufen versuchen – oder sie sabotieren. Es ist weit und breit niemand in Sicht, der Rendi-Wagner nachfolgen oder in absehbarer Zeit als Nachwuchshoffnung aufgebaut werden könnte. Das ist eines der Grundprobleme der SPÖ: Der Nachwuchs wird zurechtgestutzt statt gepflegt und gehegt. Eine gezielte Förderung junger, engagierter Leute gab und gibt es nicht. Sie werden im Zweifel als Gefahr und nicht als Hoffnung gesehen.

Zu Rendi-Wagner gibt es derzeit keine Alternative, also muss sie weitermachen. Sonst muss am Ende doch noch Doris Bures einspringen. (Michael Völker, 28.10.2019)