Das Scheidungsverfahren zwischen EU und Großbritannien zieht sich hin.

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London – Die EU gewährt Großbritannien einen weiteren Aufschub für den Brexit um drei Monate bis Ende Januar 2020. Dies sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montag. Bislang war vorgesehen, dass es am Donnerstag um 24.00 Uhr MEZ so weit sein sollte.

Der neuerliche Brexit-Aufschub für Großbritannien soll flexibel gehandhabt werden und Großbritannien auch schon vor Ablauf der Frist einen EU-Austritt ermöglichen. "Die EU-27 haben vereinbart, Großbritanniens Ansuchen um eine #Brexit Flextension (flexible Verlängerung, Anm.) bis 31. Jänner 2020 zu akzeptieren", erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk auf Twitter.

Das schriftliche Verfahren, in dem die EU-Staaten der Brexit-Verschiebung mit flexiblen Austrittsmöglichkeiten bis spätestens 31. Jänner zustimmen, soll bis Mittwoch abgeschlossen sein. Starten kann es, nachdem Großbritannien sein formales Ja zur neuen Brexit-Verlängerung gegeben hat. Dann dauert das Verfahren etwa 24 Stunden, hieß es aus EU-Ratskreisen laut der Nachrichtenagentur APA.

Nach bisherigem Stand sollte die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens mit dem 31. Oktober enden. Dem britischen Premierminister Boris Johnson war es aber bisher nicht gelungen, das mit Brüssel ausgehandelte Austrittsabkommen durch das Parlament zu bringen.

Bisher hatte sich insbesondere Frankreich für eine kürzere Verlängerung um nur einige Wochen ausgesprochen, um London Zeit zu geben, das Austrittsabkommen zu ratifizieren. Paris wollte dadurch verhindern, dass der Brexit die EU weiter über längere Zeit lähmt. Die "flexible" Verschiebung um bis zu drei Monate galt als möglicher Kompromiss, da Großbritannien austreten könnte, sobald der Brexit-Vertrag ratifiziert ist.

Regierung hat Plan B für Neuwahl im Dezember

Ursprünglich wollte die EU mit ihrer Entscheidung warten, bis in Großbritannien über die inzwischen diskutierten Neuwahlen entschieden ist. Johnsons Regierung hat wegen der festgefahrenen Lage einen Urnengang am 12. Dezember vorgeschlagen. Eine entsprechende Initiative stand ursprünglich am Montagnachmittag auf der Agenda des Parlaments in London.

Die britische Regierung will allerdings Medienberichten zufolge im Falle eines Scheiterns der Neuwahl-Pläne bereits an diesem Dienstag einen weiteren Versuch dazu unternehmen. Das berichtete unter anderem die britische Nachrichtenagentur PA unter Berufung auf Regierungskreise am Montag.

Die Erfolgsaussichten sind gering, weil Johnson dafür eine Zweidrittelmehrheit braucht und die größte Oppositionspartei Labour sich sperrt. Deren Chef Jeremy Corbyn hatte deutlich gemacht, seine Partei werde einer Neuwahl nicht im Wege stehen, sobald ein Brexit ohne Abkommen vom Tisch sei. Er wollte die Entscheidung in Brüssel über die Verlängerung der Brexit-Frist abwarten. Johnson hat keine eigene Mehrheit im Parlament und erhofft sich von einem Urnengang einen Befreiungsschlag.

Bessere Chancen könnte der Premier am Dienstag mit einem Vorstoß haben, den die kleineren Oppositionsparteien ins Spiel gebracht haben. Um die Erfordernis der Zweidrittelmehrheit zu umgehen, könnte die Regierung ein Mini-Gesetz einbringen, das ausnahmsweise eine Wahl am 9. Dezember vorsieht. Dafür würde eine einfache Mehrheit genügen.

Eine Frage der Bedingungen

Unklar ist jedoch, welche Bedingungen die Liberaldemokraten und die Schottische Nationalpartei SNP für ihre Unterstützung stellen werden. Sie hätten im Verlauf des Gesetzgebungsprozesses dazu ausgiebig Gelegenheit. Spekuliert wird, sie könnten eine Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre fordern. Junge Briten sind überwiegend gegen den Brexit. Beide Parteien wollen den EU-Austritt verhindern.

Johnson hatte kürzlich auf Druck des britischen Parlaments einen Antrag auf Verlängerung der Austrittsfrist bis Ende Jänner beantragt, obwohl er selbst den Brexit unbedingt am 31. Oktober durchziehen wollte. Als das Unterhaus eine Eilratifizierung des Austrittsvertrags ablehnte, war dieser Zeitplan aber praktisch nicht mehr zu halten.

EU-Ratschef Donald Tusk empfahl den 27 bleibenden EU-Staaten schließlich, dem britischen Antrag stattzugeben und so einen chaotischen EU-Austritt in dieser Woche zu vermeiden. Für den Fall eines No-Deal-Brexits werden enorme Turbulenzen für die Wirtschaft, Unsicherheit für die Bürger und sogar Versorgungsengpässe befürchtet.

Der britische EU-Austritt war ursprünglich für den 29. März vorgesehen, wurde aber im Frühjahr zweimal verschoben. Eine Hürde beim jetzigen Aufschub ist, dass Großbritannien noch einmal einen Kandidaten für die neue EU-Kommission benennen muss. Das Team um die neue Kommissionschefin Ursula von der Leyen könnte nach jetzigem Stand zum 1. Dezember starten. (APA, Reuters, 28.10.2019)