Eine Abstimmungspanne unter dem Vorsitz der abgetretenen Dritten Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) zieht nun eine Debatte im Nationalrat nach sich – vor allem darüber, wie rasch das Parlament mit einer elektronischen Abstimmungsanlage ausgestattet werden könnte.

Die Nationalratspräsidenten Doris Bures (SPÖ) und Wolfgang Sobotka (ÖVP) müssen nun die Lehren aus dem Fehler von Anneliese Kitzmüller (FPÖ), bis vor kurzem Dritte im Bunde, ziehen.
Foto: Matthias Cremer

Rückblick: Am 25. September, wenige Tage vor der Nationalratswahl, stand gegen 20 Uhr das Votum über einen Entschließungsantrag der damals noch vertretenen Liste Jetzt an, der eine Aufforderung an den Innenminister enthielt, die Vereine der Identitären aufzulösen. SPÖ und FPÖ, in diesen Tagen noch mit einer Mehrheit ausgestattet, stimmten dagegen, ÖVP, Neos und Jetzt dafür. "Das ist die Minderheit, abgelehnt!", hielt Kitzmüller fest.

Zig Mandatare abwesend

Doch mittlerweile steht fest: Zu dem Zeitpunkt waren zig Abgeordnete gar nicht im Plenum. Gemäß einer Fotodokumentation, die die Rechercheplattform Addendum unlängst zu Tage gefördert hat, endete die Abstimmung mit 70 Pro- und nur 67 Contra-Stimmen, die Organisationsstrukturen der rechtsrabiaten Splittergruppe aufzulösen.

Ebenfalls pikant: Im Frühjahr wurde bekannt, dass die Villa Hagen in Linz-Urfahr, ein von der FPÖ geführtes Studentenheim, auch ein Zentrum der Identitären beherbergte. Bei dem gemäß Grundbuch angeführten Eigentümer, dem Verein "Studentenheim Urfahr", fungierte Kitzmüllers Ehemann Wolfgang laut Register als "Schriftführer".

Die anderen Parteien gehen jedoch nicht von Amtsmissbrauch aus, der einen Vorsatz bedingen würde – vielmehr glauben sie, dass Kitzmüller ein Fehler bei der Auszählung unterlaufen sei. Sie selbst bedauert den Irrtum: "Es tut mir furchtbar leid, dass das passiert ist. Mit ist nicht bewusst gewesen, dass das so knapp ist", sagte Kitzmüller am Montag zu den Oberösterreichischen Nachrichten. Doch fest steht: Weil es keinen Einspruch gab, gilt das falsche Abstimmungsergebnis nun als gültig.

Einigung steht noch aus

Deswegen sprach sich der Erste Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bereits für eine elektronische Abstimmungsanlage für die Abgeordneten aus: Für das neu renovierte Parlamentsgebäude habe er bereits einen solchen Antrag gestellt, erklärte er – doch die Rückübersiedlung des Nationalrats aus dem Ausweichquartier in der Hofburg wird erst in knapp zwei Jahren schlagend. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) beruhigte via Ö1, dass es sich bei der Panne nicht um einen Gesetzesantrag, sondern nur um eine "Willenskundgebung des Parlaments" gehandelt habe.

Warum aber angesichts des aktuellen Fauxpas nicht gleich für elektronische Abstimmungen sorgen? In der ÖVP will man zunächst Konsens unter den Klubs hergestellt wissen. Die FPÖ möchte vorher sicherstellen, dass sich die Abgeordneten vor Abstimmungen korrekt identifizieren können, um Missbrauch hintanzuhalten. Und die SPÖ mag nur in Zweifelsfällen und auf Antrag auf elektronisches Voting setzen.

Hochnotpeinlicher Fehler

Karl-Heinz Grundböck, Sprecher der Parlamentsdirektion, verweist zudem darauf, dass Paragraf 66 des Geschäftsordnungsgesetzes derzeit nur "die Möglichkeit" elektronischer Abstimmungen vorsieht – aber bis dato nicht als "Standard". Und ebenfalls heikel: Derzeit läuft gerade erst das Ausschreibungsverfahren für die technische Ausstattung für das zu renovierende Parlament an, damit die Mandatare dort mit ausfahrbaren Tablets abstimmen können. Ob ein solcher Aufwand, auch mit Kosten verbunden, noch für das Interimsquartier der Verhältnismäßigkeit entspreche, setze eine politische Entscheidungsfindung voraus.

Nikolaus Scherak, Vize-Klubchef der Neos, aber meint: Schon in der nächsten Präsidiale am 11. November könnten sich die Fraktionen auf elektronische Abstimmungen einigen, denn: "Solche Fehler sind hochnotpeinlich – egal bei welchem Antrag." Zwar sollten "keine Unsummen" ausgegeben werden, aber man könne sehr wohl "ein Tool" bestellen, das sich auch im neuen Parlamentsgebäude installieren lasse, meint er.

Und auch die grüne Vize-Klubobfrau Ewa Ernst-Dziedzic drängt darauf, dass schon bei der nächsten Präsidiale mögliche Daten und Kosten "auf den Tisch" kommen – "dann können wir beurteilen, ob eine sofortige Installierung sinnvoll ist". (Nina Weißensteiner, 28.10.2019)