Im Gastkommentar, dem Siegertext des Schreibwettbewerbs, den DER STANDARD gemeinsam mit dem Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht der Universität Wien veranstaltet hat, widmet sich Studentin Marie-Theres Muxel, der Frage: Ist Art. 17 der Richtlinie 2019/790/EU, der in der Öffentlichkeit unter dem Stichwort 'Uploadfilter' diskutiert wurde, rechtlich gelungen? Warum (nicht)?

Artikel 17 der Richtlinie 2019/790/EU soll Ordnung schaffen im Social-Media-Chaos unserer Zeit.
Foto: Imago/Florian Gaertner

Irgendwo in den virtuellen Weiten zwischen Instagram, Facebook und Co haben wir ein Stückchen Menschlichkeit verloren. Im Schutz der Anonymität wird beleidigt, gemobbt und geklaut. Die EU will das ändern. Artikel 17 der Richtlinie 2019/790/EU soll Ordnung schaffen im Social-Media-Chaos unserer Zeit. Die Rede ist vom sogenannten Uploadfilter, nach welchem Plattformen den von Usern hochgeladenen Inhalt vor der Veröffentlichung prüfen müssen. Will Helga also ein Foto aus dem USA-Urlaub auf Instagram posten, muss jenes vorher sicherstellen, dass es sich dabei wirklich um ein von Helga geschossenes Foto handelt und nicht etwa um eine Szene aus dem Film "Love Vegas". Und wenn Sabine, die Sängerin, ein Musikstück auf Youtube lädt, hat dieses zu prüfen, ob Sabine auch wirklich dessen Urheberin ist.

Klingt nach ziemlich viel Arbeit und teurer Technologie. Ist es auch. Leisten können sich das vermutlich nur die großen Plattformen. Die kleinen verkaufen sich besser, solange sie es noch können, oder klopfen höflich an Facebooks Tür mit der dringenden Bitte, seinen Uploadfilter mitbenutzen zu dürfen. Facebook kann sich dann entscheiden, sich diese einzuverleiben, oder den netten Hai mimen, der die kleinen Fische im Becken gegen willkürliche Preise weiter plantschen lässt.

Grenzen der Kreativität

Doch selbst den Social-Media-Riesen drohen hohe Strafen, sollten ihre Filter versagen. Man wird sie also schärfestmöglich einstellen, dass in der Flut aus Bildern von Grillabenden und Shoppingtrips auch wirklich keine Filmszene mitrutscht. Memes, die sich häufig solche zur Grundlage nehmen, sind darüber hinaus also auch Geschichte. Denn Uploadfilter machen keinen Unterschied zwischen böswilligem Datenklau und harmloser Ironie.

User werden sich damit abfinden müssen, dass der Kreativität eben doch Grenzen gesetzt werden. Und der Meinungsfreiheit als Kollateralschaden ebenfalls. Statements werden eher zensiert als Risiken eingegangen, das World Wide Web nicht mehr ganz so weit sein. Traurig, aber unumgänglich, sagen Befürworter des Artikels und weiter, Beschwerdestellen werden eh eingerichtet. Doch selbst die lobenswerteste Sachbearbeitungsstelle wird gegen die Schnelllebigkeit der Internetwelt nicht ankommen. Bis die Fälle geprüft sind, hat sich das Internet längst einem anderen Thema zugewandt. Solche Beschwerdestellen würden die Sisyphusarbeit der ewig gestrigen Zeitung verrichten, immer einen Tag zu spät sein und nie mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Sie werden nicht verhindern können, dass zu Unrecht gelöscht und zensiert wird und wichtige aufklärerische Beiträge nie das Licht der Social-Media-Welt erblicken werden.

Ort der Zensur

Wäre in Heinz-Christian Straches Ibiza-Video beispielsweise im Hintergrund ein Ballermann-Hit gelaufen, wäre es aus Urheberrechtsgründen möglicherweise nicht veröffentlicht worden. Straches Karriere hätte Artikel 17 also retten können. Die Karriere vieler kleiner Start-up-Gründer und -Gründerinnen wird er womöglich zerstören. Das Internet wird ein Ort der Zensur und die großen Fische an den Rädchen der Uploadfilter drehen, die entscheiden, was wir sehen und posten dürfen.

In guter Absicht geben wir also unser Recht auf freie Meinungsäußerung in die Hände anderer – ohne genau zu wissen, in welche. (Marie-Theres Muxel, 29.10.2019)