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Unabhängig vom Auslöser führt SLE letztlich immer zu einer überschießenden Immunreaktion in den T- und B-Zellen der Patienten.

Foto: Picturedesk / Science Photo Library

Innsbruck – Früher, als die Behandlungsmöglichkeiten noch sehr eingeschränkt waren, verwüstete diese Erkrankung die Gesichter der Betroffenen – Narben, Furchen und Rötungen verliehen ihnen ein "wölfisches" Aussehen. Man nannte die Krankheit, die den ganzen Körper befällt, deshalb "systemischer Lupus erythematodes" (SLE) – "errötender Wolf".

Heute tragen SLE-Patienten dank der medizinischen Entwicklung zwar keine schweren Hautwunden mehr davon, doch die Ursachen dieser Autoimmunerkrankung, bei der sich das körpereigene Immunsystem gegen das eigene gesunde Gewebe richtet, sind noch immer nicht vollständig bekannt.

Man geht davon aus, dass es sich um eine Kombination von Genetik, Umwelteinflüssen und Hormonstatus handelt. Denn betroffen sind vor allem junge Frauen zwischen 15 und 30 Jahren, zudem kommt SLE in manchen Familien gehäuft vor. Unabhängig vom Auslöser führt SLE letztlich immer zu einer überschießenden Immunreaktion in den T- und B-Zellen der Patienten, die dann auch die Krankheitssymptome verursacht.

Nukleäre Rezeptoren

Einem Team um die Biologin Natascha Kleiter am Institut für Zellgenetik der Medizinischen Uni Innsbruck ist es nun gelungen, molekulare Vorgänge beim Entstehen dieser Krankheit zu entschlüsseln. Eine zentrale Rolle spielt dabei ein sogenannter nukleärer Rezeptor mit der Bezeichnung NR2F6.

Nukleäre Rezeptoren, die auch als Hormonrezeptoren bezeichnet werden, sind spezielle Proteine, die im Zellkern die Genregulation steuern. "Hormonrezeptoren haben die Aufgabe, Zellen an Veränderungen in der Umgebung anzupassen", sagt Kleiter.

"Insgesamt hat der Mensch 48 dieser Rezeptoren." Der bekannteste davon ist der Glukokortikoidrezeptor, der durch verschiedene Kortison-Arten aktiviert und häufig zur Behandlung eines überaktiven Immunsystems eingesetzt wird, um Entzündungen zum Abklingen zu bringen.

NR2F6 ist zwar nicht ganz so prominent, beschäftigt die Innsbrucker Grundlagenforscher aber schon seit vielen Jahren. Um einigermaßen laienverständlich zu erklären, was genau der Hormonrezeptor NR2F6 mit SLE zu tun hat, muss die Zellgenetikerin etwas weiter ausholen: "Bei einer normalen Immunreaktion gegen Bakterien oder Viren reagiert das Immunsystem rasch", sagt Kleiter.

"Sogenannte T-Helfer-Zellen unterstützen B-Zellen bei der Bildung von hochspezifischen Antikörpern." Dabei spielt der Botenstoff Interleukin 21 eine elementare Rolle. Er verstärkt nämlich die Reaktionsfähigkeit sowohl der T- als auch der B-Zellen.

Basis für neue Behandlungswege

NR2F6 blockiert die Bildung dieses Botenstoffs, der beim Menschen durch das IL21-Gen codiert wird, und verhindert dadurch eine zu starke Immunreaktion. Im Tiermodell konnten die Wissenschafter nachweisen, dass die Immunreaktion hochreguliert wird und außer Kontrolle gerät, wenn der Rezeptor NR2F6 fehlt.

Die Folge sind Entzündungen, gegen eigenes Gewebe gerichtete Antikörper und SLE-ähnliche Symptome. Die genaue molekulare Aufklärung, an welche DNA-Bereiche des IL21-Gens NR2F6 direkt bindet, erhöht die Chancen auf neue Medikamente unter anderem für SLE-Patienten. "Gelingt es, den Hormonrezeptor NR2F6 auf der DNA zu fixieren, könnte man vielleicht auch die überschießende Immunreaktion verhindern", sagt die studierte Zoologin vorsichtig optimistisch.

Mit dem Wissen, dass und wie NR2F6 quasi als molekulare Handbremse der T-Zellen wirkt, kann nun jedenfalls gezielter als bisher nach neuen Immuntherapien gesucht werden. "Vor allem der Regulationsmechanismus weiterer nukleärer Rezeptoren, für die es zum Teil auch schon Medikamente gibt, ist für diesen Ansatz von Interesse, um so multifaktorielle Autoimmunerkrankungen wie SLE zu lindern", sagt der Projektmitarbeiter William Olson, der mit dieser Studie seinen Doktortitel erlangte.

Bereits 2018 wurde Kleiter für ihre Erkenntnisse zur regulierenden Funktion von NR2F6 bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa mit dem Forschungspreis der Prof.-Ernst-Brandl-Stiftung ausgezeichnet.

Davor konnte die Innsbrucker Sektion für Zellgenetik unter der Leitung von Gottfried Baier die Wirkungsweise des immunregulierenden Proteins NR2F6 auch schon in hämatologischen Zellen aufklären und damit völlig neue Angriffspunkte für die Krebsimmuntherapie identifizieren. (Doris Griesser, 1.11.2019)