Ernst Strouhals neuestes Buch reserviert dem Esel einen gesonderten Platz.

Foto: Brandstätter-Verlag

Der Fortschritt fordert das Seine und hat natürlich auch vor dem Buch nicht haltgemacht. Die "Philosophie" des E-Books, wenn man denn von einer solchen sprechen mag, bedeutet im Wesentlichen eine Reduktion des Buchs auf das digital Darstellbare vulgo den "Content". Für manchen Zuwachs an praktischer Handhabbarkeit (blitzschnelles Herunterladen des "Content" aus dem Netz, leichte Auffindbarkeit von Textstellen dank Suchfunktion etc.) hat der Leser mit einer Einbuße an Ästhetik zu bezahlen.

Die Digitalisierung des Buchs ist nicht unwidersprochen geblieben und hat vor allem eine Art von indirekter, praktisch-handfester Kritik provoziert, welche darin besteht, den Sonderstatuts des Papierbuchs durch eine künstlerisch besonders schöne oder extravagante Gestaltung zu unterstreichen. In diese Gattung ließe sich vermutlich die jüngste Buchpublikation des an der Wiener Angewandten lehrenden Kulturwissenschaftlers Ernst Strouhal einreihen. Sie demonstriert, welche erstaunlichen haptischen und visuellen Stückln das Papierbuch zu spielen in der Lage ist.

Ein Verwandlungsbuch als Daumenkino

Bei seinem im Brandstätter-Verlag erschienenen Gespräch mit einem Esel handelt es sich um ein sogenanntes Flickbook, eine kompliziertere Variante des verwandten "Flipbook", bei dem man durch rasches Blättern eine Figur in Bewegung versetzt. Auch beim Flickbook (Verwandlungsbuch) spielt der Daumen als "Projektor für ein privates Kino" (Strouhal) eine Hauptrolle. Je nachdem, wie man es durchblättert, zeigt das Buch als quasi magisches Objekt beim geschickten Hantieren Unterschiedliches: Einmal sind es Bilder, dann Texte, dann wieder andere Bilder und so fort. Verwandlungsbücher, die zu den ältesten Requisiten der Zauberkunst zählen, tauchten bereits in der Ära des Barocks, etwa bei Grimmelshausen, auf.

Seinen inneren Zusammenhalt erhält Strouhal wunderbar wandelbares Buch durch das Motiv des Esels, der in unterschiedlichen Rollen auftaucht: als kluger Gesprächspartner in einer kulturhistorisch erhellenden Konversation mit dem Autor, auf einem der Caprichos von Goya und natürlich in der Gestalt des Eselsohrs, welches gewissermaßen ebenfalls zu den Alleinstellungsmerkmalen des Papierbuchs gehört. (Christoph Winder, 29.10.2019)