Altbundespräsident Heinz Fischer bei seiner Rede im Kaiciid-Zentrum.

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Wien – Sein Auftritt für das umstrittene, von Saudia-Arabien finanzierte und von der Schließung bedrohte König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (Kaiciid) hatte Altbundespräsident Heinz Fischer schon im Vorfeld viel Kritik eingebracht. Er nutzte seine Rede im Rahmen einer Konferenz zum Thema "Hate-Speech" Mittwochfrüh in einem Wiener Ringstraßenhotel dann aber, um ein klares Plädoyer für die Abschaffung der Todesstrafe zu halten.

Der ehemalige SPÖ-Funktionär und Ex-Bundespräsident Heinz Fischer ist gegen die Schließung der Einrichtung.
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Fischer schlug einen Bogen von der zerstörerischen Macht der Worte, die durch neue Medien noch zusätzlich befeuert worden sei, über bereits etablierte Maßnahmen, "Hate-Speech" zu begegnen, bis hin zum Thema Menschenwürde. Und hier führte er angesichts des Artikels 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte – "Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren" – aus, dass für ihn "natürlich Geschlechtergleichheit und die Abschaffung der Todesstrafe" dazugehörten: "Das ist etwas, das ich voll unterstütze."

Todesstrafe in Saudi-Arabien gang und gäbe

Laut Amnesty International wird die Todesstrafe in Saudi-Arabien weiterhin breit angewendet, selbst gegen zum Tatzeitpunkt Minderjährige. Alleine im laufenden Jahr seien "schon mindestens 104 Menschen hingerichtet worden – mindestens 44 von ihnen waren Ausländer, die meisten waren wegen Drogenkriminalität verurteilt worden". Im Jahr 2018 hatte Saudi-Arabien insgesamt 149 Hinrichtungen durchgeführt.

Allein am 23. April 2019 wurden 37 saudische Staatsbürger hingerichtet, die meisten von ihnen Schiiten. Die Hingerichteten seien alle für schuldig befunden worden, sich "terroristisches, extremistisches Denken angeeignet zu haben", hieß es.

Die häufigste Hinrichtungsmethode in Saudi-Arabien ist das Köpfen mit einem Säbel. Wie das Innenministerium mitteilte, wurde einer der Verurteilten gekreuzigt – eine Hinrichtungsart, die nur für besonders schwere Verbrechen vorgesehen ist. Grundsätzlich werden die Verurteilten bei Kreuzigungen in Saudi-Arabien aber zunächst geköpft – danach wird deren Körper ans Kreuz genagelt und zur Abschreckung öffentlich zur Schau gestellt.

Das Wort in der Bibel und bei Homer

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In seiner Rede unterstrich das ehemalige Staatsoberhaupt, wie wichtig der Kampf gegen die "zerstörerischen und unmenschlichen Konsequenzen" von Hassrede ist. Der Kampf gegen Hassrede sei ein wesentliches Element zur Verteidigung der Menschenwürde. Und er ging zurück bis zur Bibel, indem er aus dem Johannes-Evangelium den Satz "Im Anfang war das Wort" zitierte. Worte könnten "extrem glücklich, aber auch extrem unglücklich machen", sie könnten Kriege eröffnen, aber auch beenden: Man müsse sie "sehr vorsichtig gebrauchen", sagte Fischer und verwendete dazu selber ein geflügeltes Wort: "Wir müssen unsere Zunge im Zaum halten – aber nicht nur unsere Zunge, sondern auch unser Gehirn."

Laut Fischer schilderte schon Homer in der "Ilias", wie durch "Hate-Speech" ein Krieg begonnen wurde. In unserer modernen Zeit könne "Hate-Speech" durch die weitreichenden Möglichkeiten aufgrund der neuen Technologien "omnipräsent" werden, indem jeder und jede mit einem Handy Hassrede verbreiten könne.

In dem Zusammenhang lobte Fischer das Kaiciid, das sich dem interreligiösen und interkulturellen Dialog verschrieben habe.

Wöchentliche Proteste vor dem Kaiciid

Es sind nicht zuletzt Hinrichtungen in Saudi-Arabien, gegen die Woche für Woche in Wien vor dem Kaiciid protestiert wird. Die Aktivisten waren am vergangenen Freitag da, und sie werden auch diesen Freitag kommen: Seit rund vier Jahren findet wöchentlich eine Mahnwache vor dem Abdullah-Zentrum am Schottenring statt. Die Demonstranten fordern die Freilassung des saudischen Bloggers Raif Badawi, der im Jahr 2014 zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhieben verurteilt worden war, weil er angeblich den Islam beleidigt hatte.

Immer mit dabei: die frühere Grünen-Abgeordnete Alev Korun. Für sie steht das Zentrum in Wien, das 2012 gegründet worden ist, nicht für Dialog, sondern vielmehr für die "Weißwaschung der Politik Saudi-Arabiens". Dass der ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer am Mittwoch die Eröffnungsrede bei einer zweitägigen Konferenz zum Thema "Hate-Speech" hält, versteht sie daher "gar nicht".

Heikler Auftritt

Heikel ist der Auftritt von Heinz Fischer auch aus einem anderen Grund. Denn erst im Juni haben SPÖ und FPÖ im Nationalrat – auf Betreiben der Liste Jetzt – einem Entschließungsantrag zugestimmt, der die Schließung des Zentrums gefordert hat. Die ÖVP hatte in einem eigenen Antrag das Aus für den Standort in Wien gefordert. Auslöser war die später zurückgenommene drohende Hinrichtung eines 18-Jährigen in Saudi-Arabien. Das Außenministerium hatte damals zugesichert, diesem Beschluss zu entsprechen.

Nur ist das nicht so einfach. Denn durch die Neuwahlen ist dieser Entschließungsantrag Geschichte – es müsste ein neuer eingebracht werden. Die FPÖ hat dies bereits für die nächste Nationalratssitzung angekündigt. Vom Auftritt Fischers halten die Blauen dementsprechend wenig, Und man weist darauf hin, dass damals auch die SPÖ für die Schließung votiert hatte, womit man auch dieses Mal rechnet. Was es aus Sicht der Blauen auch brauche: eine Distanzierung der Partei vom Auftritt Fischers.

Komplizierte Angelegenheit

Selbst wenn der neuerliche Antrag wieder eine Mehrheit findet – leichter wird die Schließung dadurch nicht. Es ist, wie es der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen ausdrückte, eine "komplizierte Angelegenheit". Denn das Kaiciid ist eine internationale Organisation, gegründet von Saudi-Arabien, Österreich und Spanien, größtenteils von Riad finanziert. Der Vatikan hat einen sogenannten Beobachterstatus.

Die Folgen eines einseitigen Rückzugs Österreichs hat schon im Juni Irmgard Marboe, Professorin für internationales Recht, im STANDARD skizziert. "Wenn man einfach austritt, kann man nicht mehr mitbestimmen, und der Sitz Österreich bleibt im Vertrag erhalten", sagte sie damals. Nachsatz: "Das will man sicher nicht."

Das Außenamt stellte Anfang dieser Woche dennoch erneut klar, am geplanten Vorhaben festzuhalten. (red, APA, 30.10.2019)