Eine "Einladung zur Übergriffigkeit an Kindern" wäre das, was Original Play anbietet, sagte eine Traumaexpertin in den ersten Berichten über den Verein. Was der Verein anbietet, ist das Rangeln und Spielen von Erwachsenen mit Kindern in Schulen, Kindergärten, Behinderteneinrichtungen – von fremden Erwachsenen, die nicht zwingend eine pädagogische Ausbildung, sondern Seminare, zum Teil in Polen, absolviert haben. Sechs Verdachtsfälle im Zusammenhang mit Kindesmissbrauch soll es im letzten Jahr in Berlin und Hamburg gegeben haben.

Weil Original Play auch in Österreich an weit über hundert Einrichtungen aktiv ist oder war, schalten sich nun Institutionen aus allen Ecken des Landes in die Debatte ein. Einzelne Bundesländer verbieten Einrichtungen die Zusammenarbeit, Kinderschutzeinrichtungen fordern Schutzrichtlinien, die Volksanwaltschaft leitet ein Prüfverfahren ein.

Der Verein selbst wehrt sich gegen einen Generalverdacht. Auch wenn in Österreich keine Vorfälle bekannt sind, nehme man die Diskussion ernst, heißt es in einer Aussendung. Original Play will mit den zuständigen Behörden und mit Kinder- und Gewaltschutzeinrichtungen "an der vollständigen Aufklärung von Vorwürfen" arbeiten, ebenso wie an Rahmenbedingungen, um Angebote sicherer zu machen.

Und jene Einrichtungen, die mit Original Play zusammengearbeitet haben? Die stoppen dies in vielen Fällen. Nicht alle machen das aus freien Stücken, und nicht alle machen das gern, wie sie dem STANDARD erzählen.

Fred Donaldson gründete Original Play. Er spielt laut eigener Aussage seit 1970 "mit unzähligen Menschen jeden Alters und freilebenden Tieren wie Wölfen, Bären und Delfinen".
Foto: Jacqueline Schneider
Es ist klar, dass die Grenze zwischen dem, was für Kinder förderlich ist, und dem, wo der Missbrauch beginnt, sehr schmal ist.

Christoph Wund, Volksschule Vorarlberg: "Damals waren wir stolz darauf"

"Als Fred Donaldson vor etwa fünf Jahren bei uns war, waren wir stolz darauf, diese Möglichkeit bieten zu können. Die 'Vorarlberger Nachrichten' haben damals darüber groß berichtet. Das Spielen fand in unserem Turnsaal statt, es waren zwei Klassen und deren Lehrpersonen mit Fred Donaldson und Vereinsmitglied dabei. Für uns war das unbedenklich, und der Gedanke an möglichen Missbrauch kam uns in diesem Setting nicht in den Sinn. Kinder brauchen genauso wie Erwachsene Nähe und Beziehung, und auch ich möchte nicht in einer berührungslosen Welt leben. Es ist aber auch klar, dass die Grenze zwischen dem, was für Kinder förderlich ist, und dem, wo der Missbrauch beginnt, sehr schmal ist. Es ist deshalb wichtig, besonders im Umgang mit Kindern achtsam zu sein, das darf aus meiner Sicht aber nicht dazu führen, dass alle, die mit Kindern nahe zu tun haben, unter einen Generalverdacht gestellt werden."

Ich habe die Arbeit gesehen, das war sehr lustvoll, sehr herzlich und sehr wertschätzend.

David Habichler, Lebenshilfe Niederösterreich: "Tür war immer offen"

"Ein uns bekannter Mann, er war früher Zivi, kam drei Jahre lang zu uns. Die Klienten haben das Angebot selbst bezahlt, wir haben die Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Das ist nicht im Stillen und Heimlichen passiert, die Tür war immer offen. Aber es war nicht immer ein Betreuer vor Ort – das war aus unserer Sicht nicht notwendig. Das Angebot war gut, auch im Umgang mit Aggression. Ich habe die Arbeit gesehen, das war sehr lustvoll, sehr herzlich und sehr wertschätzend, es hat den Klienten Spaß gemacht. Natürlich kommen so Externe ins Haus, aber das ist bei Yoga, bei Physiotherapie, bei Klangmassage nicht anders. Ich will dann auch wissen: Was hat der für eine Ausbildung? Es gibt Vorgespräche, aber grundsätzlich haben wir ein offenes Haus. Nun gab es die Order, dass jede Zusammenarbeit mit dem Verein verboten ist, also liegt das auf Eis. Vielleicht gibt es wieder eine Zusammenarbeit, wenn all das aufgeklärt ist."

Wir sehen das als Beitrag zur Gewaltprävention.

Andrea Hallal-Wögerer, NMS Wien: "Übergriffe würden bemerkt werden"

"Wir haben heuer wie im Vorjahr einen Herrn von Original Play für eine Integrationsklasse gebucht, ein Workshop hat bereits stattgefunden. Wir sehen das als Beitrag zur Gewaltprävention. Wenn wir Angebote von Externen, egal ob von der Polizei, vom Aids-Haus oder von Original Play, buchen, halten wir uns an die Vorgaben, dass unsere Pädagogen während des gesamten Angebotes vor Ort sind. Übergriffe können in diesem Setting nicht unbemerkt bleiben. Die Kinder haben aus den Workshops mitgenommen, dass jedes selbst entscheidet, welche Berührungen es als angenehm empfindet und zulässt. Fazit: Sie sind weniger grob zueinander. Die Bildungsdirektion hat am Freitag folgende E-Mail ausgeschickt: 'Wir möchten Sie aus gegebenem Anlass darum ersuchen, etwaige noch aufrechte Kooperationen mit dem Verein Original Play bis auf weiteres einzustellen.' Daran halten wir uns. Der zweite Workshop-Tag findet nicht statt."

Wir sind in einem Zwiespalt und distanzieren uns vom Verein.

Aus einer Flüchtlingsunterkunft: "Methode scheint nun fragwürdig"

"Wir hatten ein Gratisangebot des Vereins in unserem Flüchtlingsheim. Eine Traumatherapeutin und die pädagogische Leitung des Hauses waren immer dabei. Der Ehrenamtliche, der das gemacht hat, hat seine Arbeit sehr sanft vorgestellt, auch den Eltern wurde in ihrer Sprache erklärt, worum es geht. Die Idee war, dass die Kinder lernen, herumzutollen, ohne sich wehzutun – das war der Hauptgrund, warum wir das annahmen. Nun sind wir in einem Zwiespalt, einerseits haben wir keine negativen Erfahrungen gemacht, auch die Kinder mochten es. Dennoch distanzieren wir uns nun vom Verein – nach allem, was wir gehört haben, finden wir, dass die Methode fragwürdig ist, auch wenn wir niemand vorverurteilen wollen. Vielleicht ist auch im Verein zu wenig Reflexion passiert. Bis zur vollständigen Klärung der Vorwürfe gegen den Verein wird das Angebot im Flüchtlingsheim zumindest eingestellt."

Wenn auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass da etwas sein könnte, ist die Zusammenarbeit einzustellen.

Christian Morawek, Kinderfreunde Wien: "Balgen unter Anleitung"

"Original Play ist bei uns seit rund zehn Jahren aktiv und wurde immer wieder in Kindergärten gebucht. Da kam jemand vom Verein – ein Kindergartenpädagoge und eine Hortpädagogin, es war uns wichtig, dass die eine Ausbildung haben –, und die balgten dann unter Anleitung herum. Es war für uns, wie bei allen externen Angeboten, Standard, dass eine uns vertraute Person dabei ist, die nicht mitmacht, aber eingreifen kann, wenn ein Kind sich nicht wohlfühlt. Wir haben gute Erfahrungen mit dem Verein gemacht, aber aufgrund der schrecklichen Berichterstattung und der schockierenden Dinge, die da gezeigt wurden, haben wir die Zusammenarbeit trotzdem beendet – weil die Sicherheit des Kindes im Mittelpunkt steht. Und wenn auch nur der leiseste Verdacht besteht, dass da etwas sein könnte, ist die Zusammenarbeit einzustellen. Auch wenn es bei uns keinerlei Vorfälle oder negative Rückmeldungen gab." (Gabriele Scherndl, 30.10.2019)