Alice Weidel bei einer Rede im deutschen Bundestag.

Foto: AFP

Als die rechte AfD in Weingarten (Baden-Württemberg) am vergangenen Sonntag gastierte, war mit Widerstand zu rechnen. Denn die Gemeinde, in der die AfD bei Kommunalwahlen zuletzt gar nicht angetreten war, erlaubte in ihrem Kulturzentrum nur eine öffentliche Veranstaltung. Und dort, so berichtet T-Online, sorgte Alice Weidel, die Chefin der Bundestagsfraktion der Partei, für einen Eklat.

Zumindest zwei Mal attackierte sie Personen aus dem Publikum. Einmal nahm sie einen Träger eines "FCK AFD"-T-Shirts ins verbale Visier. Dann einen Mann, der ihr gegenüber vermeintlich eine "Kopf ab"-Geste gezeigt hatte. Diesen verdächtigte sie, Mitglied der örtlichen Grünen zu sein und ließ ihn mit markigen Worten unter Beifall ihrer Anhänger aus dem Saal werfen. Bis heute feiern AfD-Sympathisanten Weidels Vorgehen im Netz. Doch wie es aussieht, hat sie einen Sympathisanten ihrer eigenen Partei wegen eines Missverständnisses vor die Tür setzen lassen.

Auch von Gegnern der AfD wurde das Video geteilt.

"Ich möchte wissen, ob der Mann Parteibuch hat"

"Und Sie da vorne mit dem Pferdeschwanz, Sie da mit dem Vollbärtchen, Sie haben mir eben 'Kopf ab' gezeigt, und ich, ich möchte, dass Sie aus dem Raum verschwinden. Hauen Sie ab! Sie da!", so der Wortlaut Weidels gegenüber dem vermeintlichen Störenfried. Es war nur der Beginn einer längeren Schimpftirade, während der sie auch eine Anzeige gegen die Person ankündigte.

"Ich möchte wissen, ob der Mann Parteibuch hat. Ich gehe auf die Palme. Vielleicht aus den örtlichen Grünen. Genau. So ist es nämlich, ja. Ich möchte wissen, ob der Mann jetzt ein Parteibuch hat, ich zeige den jetzt an", so die Politikerin, die trotz Zurufen aus dem Publikum an ihrer Sicht der Dinge festhielt.

Das mittlerweile gelöschte Posting von Weidel.
Screenshot: Twitter

Doch nur ein Hustenanfall?

Der Hinausgeworfene sei allerdings keineswegs ein Gegner der AfD, erklärten später mehrere Zeugen. Selbst ein örtlicher Grünen-Politiker sagte, dass der Betroffene aus dem "örtlichen Studileben" bekannt sei als jemand, der Positionen der Partei vertritt. Auf der Facebook-Seite "Studis für Weingarten" veröffentlichte Muth ein Posting, in dem er das, was Weidel als "Kopf ab"-Geste wahrgenommen habe, als einen Griff in den Brustbereich aufgrund eines starken Hustenanfalls darstellt.

Auch andere Besucher der Veranstaltung bezeugten diese Darstellung und gaben auch an, dass der Mann zuvor sogar einmal Umstehende zur Ruhe aufgefordert hatte, nachdem diese absichtlich an "falschen" Stellen von Weidels Rede geklatscht hätten.

Video verschwindet, doch das Narrativ bleibt

Obwohl die Spitzenpolitikerin nach ihrem Auftritt auf die Umstände aufmerksam gemacht worden sein soll, veröffentlichte sie am Montag selbst das Video, das ihren Auftritt am Podium während des Vorfalls zeigt, auf Twitter. Dort wiederholte sie ihren Vorwurf und kritisierte die zunehmende politische Verrohung.

Erst später wurde der Beitrag wieder entfernt und Weidel erklärte, keinen Strafantrag stellen zu wollen, sodass dem Betroffenen weitere behördliche Verfolgung erspart bleibt. Doch das ursprüngliche Narrativ ist bei einigen Anhängern der AfD immer noch wirksam. Der von Weidel entfernte Clip wurde und wird nach wie vor etwa auf Youtube auf einschlägigen Kanälen immer wieder neu hochgeladen.

Reuploads des Clips auf Youtube.
Screenshot: Youtube

Die Betitelungen lassen wenig Zweifel an der Wiederholung der ursprünglichen Erzählung von Weidel. Dort wird der Mann beispielsweise als "Antifa-Vollpfosten" und "Linksterrorist" bezeichnet und weiter von einer "Morddrohung" gesprochen. Nicht wenige Nutzer entwickeln eine Verschwörungstheorie, wonach Weidel ihr Video nicht freiwillig entfernt hätte, sondern der Vorfall verschleiert werden solle. (gpi, 30.10.2019)