Apple-CEO Tim Cook bei der Präsentation von AppleTV+ im März.

Foto: APA/AFP/NOAH BERGER

Netflix gibt sich betont gelassen. Die neue Konkurrenz könne weder bei der Qualität noch bei der Vielfalt mithalten, heißt es im Vorfeld des Starts der Videostreamingdienste von Apple und Disney. Es ist aber keine ausgemachte Sache, dass Netflix mit seinen knapp 158 Millionen Nutzern weiterhin den Ton in der Branche angibt. Die beiden finanzstarken Newcomer werden alles daransetzen, rasch eine große Reichweite zu erzielen.

Apple TV+ startet am 1. November in 100 Ländern, darunter auch Österreich. Disney+ folgt am 12. November, vorerst nur in den USA, in Kanada, Australien, Neuseeland und den Niederlanden. Beide unterbieten Netflix beim Preis. Statt 7,99 Euro müssen Disney-Kunden 6,99 Euro zahlen, und ein Apple-TV+-Abo kostet monatlich nur 4,99 Euro. Für Apple ist das ein bemerkenswerter Schritt, da das Unternehmen nicht gerade für seine niedrigen Preise bekannt ist.

Überhaupt ändert Apple derzeit seine Strategie grundlegend: Der Konzern will mehr Geld mit Abo-Diensten einnehmen und sich unabhängiger vom iPhone machen, seinem mit Abstand wichtigsten Geldbringer. Zu den neuen Angeboten gehört neben Apple Music auch ein Abo-Angebot mit exklusiven Spielen unter dem Namen Apple Arcade.

Comeback der Piraterie

Für Netflix verschärft sich der Wettbewerb deutlich: Streamingnutzer werden sich voraussichtlich nicht mehr für einen einzigen Anbieter entscheiden, sondern mehrere gleichzeitig abonnieren oder ihre Abos unterbrechen, um neue Angebote zu sehen. So stehen Streamingfirmen künftig im ständigen Konkurrenzkampf um ihren Anteil an den Ausgaben jedes Konsumenten. Seher bekommt, wer Serien bietet, über die in der Schule und am Stammtisch geredet wird. Das ist den Newcomern klar, sie haben Milliarden für hochwertige Produktionen in die Hand genommen.

Die neuen Anbieter werden aber auch der Filmpiraterie zu einer Renaissance verhelfen, die durch den Erfolg von Streaminganbietern in den vergangenen Jahren massiv abnahm. Aber kaum jemand wird für drei oder fünf Anbieter zahlen.

Dafür werden Filme oder Serien, die exklusiv bei einem Anbieter zu sehen sind, aus dem Netz geladen. Im März berichtete Variety, basierend auf einem Report des Unternehmensberatungsriesen Deloitte, dass bereits die Hälfte der US-Konsumenten genervt von der Flut an neuen Streaminganbietern sei, insbesondere wenn ihre bevorzugten Filme und Serien plötzlich nicht mehr bei ihrem Lieblingsdienst verfügbar sind. "Die Kunden wollen Auswahl – aber nur bis zu einem gewissen Punkt", erklärte Deloitte-Vizechef Kevin Westcott. Es drohe ein Zeitalter der "Abonnementmüdigkeit".

Gleichzeitig allerdings fehlt den Anbietern vorerst offenbar ein Anreiz, ihre Strategien zu ändern. In der gleichen Erhebung heißt es auch, dass die Eigenproduktionen der Streaminganbieter das wichtigste Zugpferd für den Gewinn neuer Abonnenten sind. (Doris Priesching, Markus Sulzbacher, 30.10.2019)