Cupertino/Wien – Ein Marketingerfolg ist Apple TV+ schon vor der ersten Streamingminute: Vergleichsweise mickrige sechs Milliarden Dollar investiert der Computergigant jährlich in Originalprogramme und erzielte damit maximale Aufmerksamkeit. Konkurrent Netflix steckt satte 15 Milliarden Dollar in Inhalte. Apple TV+ geht am 1. November mit vorerst neun Produktionen ins Rennen. So viele schmeißt Netflix jede Woche unters Volk.

Der Markteintritt erfolgt unter anderen Voraussetzungen als 2012, dem Jahr der ersten Netflix-Originalserie "Lilyhammer". Damals ging es darum, sich ein Image zu schaffen. Angesichts einer Massenproduktion von mehr als 500 Serien pro Jahr allein in den USA ist Unverwechselbarkeit keine Kategorie mehr. Man produziert, um Gesprächsthema in sozialen Medien zu sein – und um seine Ware an die Kundschaft zu bringen: Wer Apple TV+ schaut, wird unweigerlich mit Produkten der Apple- und Mac-Welt konfrontiert werden – und umgekehrt. Wenn sich ein Hit einstellt – umso besser.

Es ist alles da: Fantasy, Familie, Abenteuer, Drama, Kinder, Serien für männliches und weibliches Publikum, für junge Erwachsene, mehrheitlich mit sorgfältig nach Marktwert ausgewählten Hollywoodgrößen. Muss man das alles gesehen haben? DER STANDARD vergibt Punkte je nach Erwartungsfaktor:

"The Morning Show": In einer Schlangengrube ist es gemütlicher als in der Redaktion dieser Morgenshow. Jennifer Aniston, Reese Witherspoon und Steve Carell schenken einander nichts.

Erwartungsfaktor: Miese Medienmacher und #MeToo sollen zentrale Themen dieser Workplace-Saga sein. Will man sehen.

"The Morning Show" mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon,
Foto: Apple TV

"Oprah's Book Club": Amerikas heimliche Regentin lädt ihren 1996 gegründeten Bücherklub neu auf und Gäste ein. Winfrey soll in Folge mehr liefern: Zusammen mit Prinz Harry ist eine Dokuserie in Arbeit.

Erwartungsfaktor: Mittel. Tante Oprahs Strahlkraft ist in Übersee eindeutig stärker.

"See": Jason Momoa, strammer Max vom Dienst ("Aquaman", "Game of Thrones") setzt seine archaischen Qualitäten in dieser dystopischen Serie ein. Die grausigen Aussichten: Ein Virus hat in ferner Zukunft die Menschheit fast eliminiert. Die wenigen Überlebenden sind blind. Momoa spielt einen Stammeschef (no na!), der seine Leute verteidigen muss.

Erwartungsfaktor: Rein optisch verspricht die Serie eine traurige Version von "Der Mann in den Bergen". Momoa ist der Richtige dafür.

Jason Momoa ist der Mann in den Bergen.
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"Dickinson": Die Sturm-und-Drang-Jahre der Dichterin Emily Dickinson Mitte des 19. Jahrhundert bieten viel Raum für junge, kecke Damen in entzückenden Roben und mit possierlichen Korbhüten und in allerlei blasierter männlicher Gesellschaft. Eine zweite Staffel ist in Arbeit.

Erwartungsfaktor: Hailee Steinfeld wirkt in der Rolle der widerborstigen Poetin entzückend. Überraschungsfaktor freilich eher bescheiden.

Emily Dickinson rebelliert gegen die blasierte Männergesellschaft des 19. Jahrhunderts,.
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"For All Mankind": Was wäre, wenn russische Astronauten die Ersten am Mond gewesen wären? Eine ideologische Niederlage, die von der Nasa mit einem Coup beantwortet werden müsste: Die erste Frau muss ins All. In den 1960ern sorgt das Vorhaben für gröbere Turbulenzen.

Erwartungsfaktor: Verwegene Annahme, erste Bilder überzeugten – die Optik dürfte stimmen.

"For All Mankind" erzählt die Geschichte der Mondlandung anders.
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"Helpsters": Die "Sesamstraße" stand Pate für diese hilfreichen Kuschelmonster: Alles beginnt mit einem Plan. Die "Helpsters" sind Erziehungsfernsehen für Kinder im Vorschulalter.

Erwartungsfaktor: Lieb.

"Snoopy in Space": Wenn das nur gutgeht. Die Peanuts starten zu einer Mondmission. Charlie Brown, Lucy, Schroeder, Linus, Peppermint Patty und natürlich Woodstock stellen die Bodenmannschaft in der von Charles M. Schulz' Kurzgeschichten inspirierten Serie.

Erwartungsfaktor: Ein Beagle im All – unwiderstehlich.

Snoopy erobert den Weltraum.
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"Ghostwriter": Ein mysteriöser Geist in einer Buchhandlung hilft Kindern, fiktive Figuren aus der Literatur zu befreien.

Erwartungsfaktor: Unverdächtiges Familienprogramm.

"Die Elefantenkönigin": Nonfiktionales Programm, auch in Naturdokus will man mitmischen. Die personalisierten Tierbiografien sollen beim Zuschauer emotionale Bindung auslösen. Die Elefantin ist natürlich auch Mutter eines süßen Babys.

Erwartungsfaktor: Gut für die Komfortzone. (Doris Priesching, 30.10.2019)