Pille-Riin Jaik lässt Papierblumen wachsen. Das Papier referiert auf Briefe, in denen 1911–1913 Frauenvereine die Zulassung von Frauen zum Kunststudium im Habsburgerreich forderten.

Foto: Lisa Rastl

"Haben Sie auch irgend welche Fragen?", versucht Künstlerin Jessyca R. Hauser eine seltsame Situation zu lösen: Ein Besucher fotografiert sie inmitten ihrer Soundinstallation You make me feel like a natural disaster auf einer der Matten am Boden sitzend. Eigentlich hat er keine Fragen, lässt sich aber eine einfallen: "Ist das alles Leder?", deutet er auf das glänzende Plastik. "Das haben Sie gut erkannt", pflichtet Hauser bei und fordert ihn heraus, den Fehler zu erkennen: "Sie können sich auch gerne hinsetzen." "Das ist bequem", sagt er. "Soll sein", gibt sie sich arglos.

Kollaboration über alles

Es soll aber natürlich mehr als nur "bequem" sein. Ihre Installation im Ausstellungsraum xE in der Eschenbachgasse pendelt zwischen privat und gesellschaftskritisch: Während eines Aufenthalts in Brasilien – Jair Bolsonaro wurde damals zum Präsidenten gewählt – hat Hauser persönliche Empfindungen sowie Gedanken zur politischen Lage notiert. Das Notizbuch schickte sie an elf befreundete Künstlerinnen und bat sie, Stellen einzulesen, mit denen sie sich identifizieren könnten. Sie erklingen nun unterlegt von atmosphärischer Musik.

Hauser hat 2017 an der Akademie diplomiert, arbeitet feministisch, digital, medienübergreifend und kollaborativ. Wie sehr ihr an Letzterem gelegen ist, sieht man auch daran, dass sie alle, die bei der Installation geholfen haben, unbedingt genannt haben will: Julia Znoj war am Raum beteiligt, Juliet Aaltonen bei den Tonsamples. Kollaborativ will Hauser (29) Austausch mit anderen herstellen, das rücke die Arbeit ein Stück weg von der "nur" persönlichen Erfahrung.

Webcam-Videos sind durch

Bis zum Diplom nahm Hauser sich jahrelang mit der Webcam auf, der Computer als "Bezugsperson" interessierte sie. Es ging darin etwa um Einsamkeit. Damit ist sie durch, das Medium ist nicht mehr neu, auf Handybilder umsteigen will sie nicht, macht lieber Sound oder tritt mit Extremperformerin Florentina Holzinger auf.

Hauser ist im xE Kontrapunkt zu einem Schwung älterer Semester, zugleich läuft die Schau Spezialschule für Bildhauerei mit Werken von Akademie-Studierenden aus 30 Jahren. Zu sehen ist etwa eine Säule aus Klopapierrollen von Heimo Zobernig von 1993, die beim Vorbeigehen zittert. Wuchtige Steinblöcke, gebaut aus Spanplatten mit rauer Gipsoberfläche, dienen indes als Verstecke für Beamer. Die Fake-Steine sind Bildhauerblöcken im Innenhof des Standortes im Prater nachgeahmt – im xE verweisen sie auf die Geschichte des seit 1913 dort angesiedelten Ateliers. Es ist Thema aller Werke: In einem Video zeigt Leopold Kessler, wie er als Student 2004 ein kilometerlanges Kabel von der Kurzbauergasse zu sich heim legte und Strom zapfte.

Hauser steht am Anfang ihrer Karriere. Wie ist das? "Wenn wegen meiner Kunst noch keiner weiß, wer ich bin, ist das egal. Ich finde es angenehm, dass man Sachen machen kann ohne die ganze Aufmerksamkeit von Leuten, die einen in Schubladen stecken. Es ist zacher, wenn du keine Kohle reinbekommst oder keine Förderungen." (Michael Wurmitzer, 1.11.2019)