Im "Grauen Haus" beschäftigte sich Richterin Erika Pasching mit einem ungewöhnlichen Fall.

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Wien – "Der Fall ist atypisch", stellt Richterin Erika Pasching am Ende des Verfahrens gegen Christopher G. fest. Völlig zu Recht. Denn normalerweise ist ein Einbruchsprozess gegen einen Drogenkranken im Wiener Straflandesgericht ein Dutzendfall, bei G. treffen jedoch gleich mehrere Besonderheiten zusammen.

Das beginnt schon beim Modus Operandi: Der 29-Jährige hat in der Nacht vom 22. auf den 23. Jänner nämlich sein Leben riskiert. "Sie haben ja ein Fenster im dritten Stock von außen eingeschlagen!", ist die Richterin überrascht. "Ich war auf Entzug, es war eine idiotische Kurzschlusshandlung", antwortet der Angeklagte. "Es war auch nicht sehr professionell", gibt ihm Pasching recht. Die Polizei hatte nämlich keine Schwierigkeiten, damals DNA-Spuren zu sichern: G. hatte sich an den Scherben geschnitten und stark geblutet.

"Notfall"-Bankomartkarte mit aufgeklebtem Code

Nicht alltäglich ist aber auch der Tatort, den sich der Heroinabhängige ausgesucht hat: Er brach in die Firma seines Vaters ein. Und erbeutete die Bankomatkarte für ein Unternehmenskonto. Da die Karte die "Notfallkarte" ist, falls Mitarbeiter rasch Geld brauchen, klebte auf dem Plastikgeld auch gleich ein Zettel mit dem dazugehörigen Code. 260 Euro hob G. noch in der Nacht ab, als er am nächsten Tag weiteres Bargeld wollte, war die Karte bereits gesperrt und wurde eingezogen.

G.s Vater hat die Richterin bereits im Vorfeld kontaktiert und angekündigt, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen werde. "Er will Sie offenbar nicht weiter hineinreiten", offenbart Pasching dem Angeklagten. Sie erklärt ihm aber auch, dass eine Einstellung des Verfahrens wegen "Begehung im Familienkreis" nicht möglich sei, da dem Vater nur 50 Prozent der geschädigten Firma gehören.

Schaden bei Vater abgearbeitet

Vom Vater weiß Pasching auch, dass der Angeklagte den Schaden bereits gutgemacht hat. "Ich habe stundenweise Hilfsarbeit geleistet in der Firma", bestätigt der ausgesprochen höfliche Angeklagte.

Der bereits im Jänner von einem Bezirksgericht zu einer kleinen Geldstrafe verurteilt worden ist. Wegen Entwendung: Er hatte in einem Geschäft ein Paar Schuhe gestohlen und in einer Buchhandlung "Latein für Anfänger" im Wert von fünf Euro mitgehen lassen. "Was wollten Sie denn damit?", wundert sich die Richterin. "Das war für meine damalige Freundin, eine dumme Sache", erklärt der Arbeitslose, der nach eigenen Angaben seine Ausbildung unmittelbar vor der Lehrabschlussprüfung abgebrochen hat.

Aufgrund der ungewöhnlichen Konstellation entscheidet sich Pasching dafür, G., der mittlerweile ein Entwöhnungsprogramm absolviert, die Zukunft nicht völlig zu verbauen. Bei einer Strafdrohung bis zu drei Jahren Haft verurteilt sie ihn zu drei Monaten bedingt.

Appell der Richterin

"Ich hoffe, Sie können diese Chance nützen", appelliert die Richterin an den Angeklagten. "Ich habe bei Ihnen noch nicht alle Hoffnung verloren. Aber es muss Ihnen klar sein, dass Sie sich jetzt entscheiden müssen. Setzen Sie Ihre Therapie fort, sonst sind Sie bald wieder hier herinnen." Die Staatsanwältin ist mit der Entscheidung einverstanden, da G. aber nicht von einem Verteidiger vertreten ist, kann er noch bis Montag Nichtigkeit und Berufung anmelden. Er kündigt an, das nicht zu tun, bedankt sich und verlässt den Saal. (Michael Möseneder, 30.10.2019)