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Die Indizien mehren sich, dass die Neandertaler ihre Lagerfeuer selbst entzündet haben.

Foto: REUTERS/Nikola Solic

Die Herrschaft über das Feuer ist keineswegs ein Vorrecht des modernen Menschen. Wie bereits frühere Funde erahnen ließen, dürfte zumindest auch der Neandertaler Feuer genutzt haben, um sich zu wärmen und Nahrungsmittel zu erhitzen. Ob Neandertaler allerdings Flammen auch selbst entfachen konnten, war bisher zwar vermutet, aber nicht eindeutig bewiesen worden. Ausgrabungen im heutigen Armenien lieferten nun jedoch neuerlich handfeste geochemische Belege dafür.

"Feuer war lange Zeit für eine Domäne des Homo sapiens gehalten worden, doch mittlerweile wissen wir, dass auch andere Menschenarten es entzünden konnten", sagt Daniel Adler von der University of Connecticut in Storrs. Der Anthropologe hat die entsprechenden Hinweise gemeinsam mit internationalen Kollegen in den Sedimenten der Höhlen von Lusakert im armenischen Hochland entdeckt.

Waldbrände als Quelle für Lagerfeuer?

Bisherige Studien, die Neandertalern den Umgang mit Feuer nachweisen konnten, ließen weitgehend offen, ob nicht Wald- und Buschbrände die Quelle dieses Feuers gewesen sein könnten. Immerhin stammten die entsprechenden Funde aus Regionen und Jahreszeiten, wo natürliche, etwa durch Blitzschlag ausgelöste Brände eine durchaus häufige Erscheinung gewesen sein dürften. Allerdings gibt es chemische Möglichkeiten, um herauszufinden, wie ein Feuer Zustande kam – und diese nutzten nun die Forscher um Adler.

Kritische Komponenten dieser Untersuchungen sind sogenannte polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAH), die frei werden, wenn organisches Material verbrannt wird. Diese Substanzen kommen in zwei Varianten vor: Leichte PAHs verteilen sich häufig über weite Regionen, während schwere PAHs in der Regel ganz in der Nähe des Brandherdes verbleiben.

Feuernutzung über Jahrtausende hinweg

Adlers Team interessierte sich vor allem für letztere. In insgesamt 18 Sedimentschichten der armenischen Lusakert-Höhle 1 fanden die Forscher umfangreiche Spuren der schweren polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe. Die untersuchten Schichten entsprechen etwa einer Zeitspanne von 60.000 bis 40.000 Jahren vor heute. Damit lagen immerhin Belege dafür vor, dass in all diesen Jahrtausenden in der Höhle Feuer brannten. Aber vielleicht holten sich die Neandertaler dieses Feuer ja auch von Waldbränden aus der Region.

Um herauszufinden, ob dem tatsächlich so war, suchten die Wissenschafter nach Spuren von leichtem PAH in der näheren und weiteren Umgebung. Außerdem hielten sie Ausschau nach archäologischen Hinweisen auf natürliche Brände, die außerhalb der Höhle gewütet haben könnten. Was sie dabei fanden, wies letztlich darauf hin, dass Waldbrände in der Region in den entsprechenden Zeiträumen vergleichsweise selten auftraten. Isotopen-Analysen untermauerten diesen Befund: Nichts deutete auf besonders häufig vorkommende trockene, feuer-freundliche Umweltbedingungen hin.

Unabhängig von natürlichen Bränden

"Wir entdeckten keine Anzeichen für eine Verbindung zwischen den durchschnittlichen paläoklimatischen Bedingungen und geochemischen Belegen für natürliche Brände", sagt Michael Hren, Koautor der im Fachjournal "Scientific Reports" erschienen Studie. Mit anderen Worten: Alles deutet darauf hin, dass die Neandertaler dieser Region und Zeitperiode völlig unabhängig von der natürlichen Verfügbarkeit von Brandherden ihre Feuer meisterten.

Eine große Überraschung ist das freilich nicht: Diese nahen Verwandten des modernen Menschen demonstrierten ihre Fähigkeiten zu abstraktem Denken in vielerlei Hinsicht. So zeigt sich dies etwa in ihren Höhlenmalereien, vermutlich stellten sie sogar Schmuckstücke her. Neandertaler bestatteten ihre Toten, produzierten Klebstoff und nutzten für die Jagd hochentwickelte Wurfwaffen. Was aber wohl am schwersten wiegt: Neandertaler schafften es, in Eurasien unter widrigen klimatischen Bedingungen über 360.000 Jahre zu überleben. Für die Wissenschafter erscheint es unwahrscheinlich, dass ihnen dies gelang, ohne die Fähigkeit, Feuer zu machen. (tberg, 1.11.2019)