Durch die Fusion entstünde eine Firma im Wert von rund 50 Milliarden Dollar.

Foto: APA / AFP / HAROLD CUNNINGHAM / DANIEL

Paris/Turin – Fiat Chrysler (FCA) und die Opel-Mutter PSA (Peugeot, Citroën) drücken bei ihren Fusionsplänen aufs Tempo. Der französische und der italienisch-amerikanische Autohersteller haben sich auf einen Fusionspakt verständigt, teilten beide Unternehmen am Donnerstag mit.

PSA-Chef Carlos Tavares soll demnach Vorstandschef werden, dem Verwaltungsrat werde John Elkann vorstehen, FCA-Verwaltungsratschef und Enkel von Gianni Agnelli. Die Gesellschaft soll ihren Sitz in den Niederlanden haben und an den Börsen in Paris, Mailand und New York notiert sein.

Laut italienischen Medienberichten ging die Initiative zur Fusion von Elkann aus. Tatsächlich steckt der Konzern – nach einem bemerkenswerten Höhenflug in den ersten Jahren nach der Fusion von Fiat mit Chrysler – in Schwierigkeiten. Umsatz und Gewinn sind im ersten Halbjahr 2019 eingebrochen, vor allem in Europa und ganz besonders im Fiat-Heimmarkt Italien herrscht Krisenstimmung. Aber selbst die Verkaufszahlen der Marke Jeep, mit der FCA am meisten verdient, lassen in letzter Zeit zu wünschen übrig. Die Verschmelzung mit dem PSA-Konzern, der viel investiert hat und mit DS, Peugeot, Citroën, Opel und Vauxhall über eine breite und moderne Modellpalette verfügt, soll für die Italo-Amerikaner also zum Rettungsanker werden.

Sportlicher Luxus aus Italien

Die beiden FCA-Marken Alfa Romeo und Maserati würden dem neuen Konzern außerdem zu sportlichem und luxuriösem Flair verhelfen, über das PSA überschaubar verfügt. Gemeinsam sollten sich auch die großen Investitionen stemmen lassen, die aufgrund der Zukunftstechnologie des autonomen Fahrens erforderlich werden. Bei beiden Konzernen stecken die entsprechenden Projekte noch in den Kinderschuhen.

"Die Fusion wird allen Stakeholdern einen signifikanten Mehrwert bringen und unseren Unternehmen eine glänzende Zukunft sichern", erklärte Tavares. Zufrieden zeigte sich auch der Nachfolger von Sergio Marchionne als CEO von Fiat Chrysler, Mike Manley: "Das neue Unternehmen hat das Potenzial, den gesamten Automobilsektor zu verändern; ich bin überzeugt, dass wir zu einem globalen Leader der Mobilität werden können."

Noch vieles offen

Noch ist die Fusion freilich nicht unter Dach und Fach. An der Regierung in Paris könnten die neuen Verhandlungen scheitern – wie jene mit Renault-Nissan, bei denen der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Arbeitsplatzgarantien für die französischen Werke und eine Art Vetorecht beanspruchte und damit die FCA-Spitze und die Belegschaft in den italienischen Produktionsstätten vor den Kopf stieß.

Bei den neuen Verhandlungen hat sich Paris bisher zurückgehalten – es scheint, dass inzwischen die Einsicht gewachsen ist, dass eine Fusion beiden Seiten Vorteile bringen muss, nicht nur der französischen.

Zusammen wären die Fusionspartner der viertgrößte Automobilhersteller – hinter Volkswagen, Renault/Nissan/Mitsubishi und Toyota – mit einem Absatz von 8,7 Millionen Fahrzeugen und 170 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Sofern eine Abmachung zum Bau eines Weltkonzerns gelinge, wie es heißt. Angestrebt wird ein Zusammenschluss "unter Gleichen", der Unternehmenswert wird auf 50 Milliarden Euro taxiert.

Ohne Werksschließungen

Die Unternehmen wollten ihre Kräfte für einen weltweit führenden Anbieter nachhaltiger bündel, teilte FCA mit. Geplant sei ein Konzern, der je zur Hälfte den Anteilseignern von FCA und PSA gehört. Die Fusion soll über mehrere Jahre jährliche Kosteneinsparungen von etwa 3,7 Milliarden Euro bringen, ohne Werke zu schließen, wie versichert wurde. Dafür müssten einmalig 2,8 Milliarden Euro ausgegeben werden.

Im Opel-Motorenwerk in Wien-Aspern hört man die Botschaft wohl, sieht die Ankündigung aber skeptisch. "Wir könnten für alle Marken Getriebe bauen", sagt die Vorsitzende des Arbeiterbetriebsrats, Renate Blauensteiner, zum STANDARD. Sie ist skeptisch, verhandelt gerade einen Sozialplan, um die nächste Restrukturierungswelle nach der Übernahme von Opel durch PSA Peugeot abzufedern. Nach einem Programm mit Lohnverzicht und Stellenabbau geht unter den rund 1.150 Arbeitern und rund 200 Angestellten wieder die Angst um. Von 400 Arbeitsplätze, die wackeln, ist die Rede.

Opel könnte unter die Räder kommen

Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Center der Uni Duisburg/Essen ist kaum optimistischer, er sieht Opel insgesamt in Gefahr. Die Rüsselsheimer könnten bei der Fusion "den Schwarzen Peter" ziehen. Ob PSA und Fiat Chrysler das Rüsselsheimer Opel-Entwicklungszentrum weiterbetreiben, ist fraglich. Bereits der aktuelle Sanierungsplan sieht einen Abbau von 2.000 der 6.400 Stellen in Rüsselsheim vor.

FCA werde seinen Aktionären eine Sonderdividende von 5,5 Milliarden Euro zahlen und seine mit 250 Millionen Euro bewertete Beteiligung an der Robotiktochter Comau an die eigenen Anteilseigner verteilen, berichten Insider. Vorgesehen sei ferner, dass PSA seine 46-prozentige Beteiligung am Zulieferer Faurecia im Wert von rund drei Milliarden Euro ausgliedern werde.

Bild nicht mehr verfügbar.

Mit dem Staat im Rücken hat Carlos Tavares Peugeot wieder hochgefahren, Agnelli-Enkel John Elkann ist der mächtige Mann bei Fiat Chrysler.
Foto: dpa / Daniel Roland

Der fusionierte Konzern soll von einem elfköpfigen Verwaltungsrat geleitet werden, wie die Insider ausführten. Auf PSA entfallen sechs Mitglieder, darunter Tavares, auf FCA fünf (inklusive Elkann).

Grande Nation strahlt

Frankreich begrüßt die Gespräche zur Bildung eines globalen Autogiganten. Am Ende könnte ein Konzern mit rund 400.000 Mitarbeitern stehen, erklärte Wirtschafts- und Finanzminister Le Maire am Donnerstag. Die Fusion sei eine Antwort "auf die Notwendigkeit für die Autobranche, sich zu konsolidieren", erklärte der Minister. "Frankreich muss stolz sein auf seine Autoindustrie, die ihre Fähigkeit zur Forschung und zur technischen Erneuerung unter Beweis gestellt hat."

PSA-Chef Tavares äußerte sich zur Megafusion noch nicht. Der Zusammenschluss werde noch verhandelt und sei bisher nicht vereinbart, verlautet aus Unternehmenskreisen.

Bei PSA mischt der Staat mit

Der französische Staat hält seit der Rettung von PSA über eine Förderbank 12,23 Prozent der Anteile und 9,75 Prozent der Stimmrechte. Weitere große Anteilseigner sind die Peugeot-Familie und der chinesische Hersteller Dongfeng.

Reservierter die Reaktion aus Rom: Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri erklärte, die Regierung respektiere die Verhandlungen. Schließlich handle es sich um unternehmerische Entscheidungen. "Aber sie ist sich dessen bewusst, dass wir über eine für unser Land sehr wichtige Branche sprechen", daher sei hohe Wachsamkeit erforderlich.

Deutlicher wurde da schon Premierminister Giuseppe Conte: Die Fabriken und Arbeitsplätze in Italien mit dem Fiat-Stammwerk in Turin an der Spitze müssten erhalten bleiben.

Börsianer skeptisch

Für Börsianer scheint klar, wer von dem Megadeal mehr profitiert: Während PSA-Aktien am Donnerstag im Eröffnungshandel unter Druck kamen und an der Pariser Börse um fast neun Prozent einbrachen, schossen die Kurse von FCA-Anteilsscheinen in Mailand um knapp zehn Prozent an. Das strahlt auf die Branche aus: Auch Renault-Aktien gerieten unter Druck, sie rangierten mit einem Minus von 2,4 Prozent bei den schwächsten Werten im französischen Leitindex CAC-40. (Reuters, dpa, straub, ung, 31.10.2019)