Eine Buckelwalkuh nebst Kalb im Südwestatlantik: Hier lebt es sich für die Tiere wieder gut.
Foto: L. Candisani/Courtesy Insituto Aqualie

Eine gute Nachricht durften Forscher der University of Washington im Fachjournal "Royal Society Open Science" verkünden. Sie haben die Population von Buckelwalen (Megaptera novaeangliae) im Südwestatlantik analysiert und schätzen, dass der dortige Bestand über die Jahre auf etwa 25.000 Tiere angewachsen ist. Und das ist nicht irgendeine Zahl, sondern eine mit hoher Symbolkraft: Damit dürfte nämlich wieder jene Bestandsgröße erreicht sein, die es dort vor der Ära des industriellen Walfangs gab.

Vergleich von damals und heute

Für ihre Studie kombinierten die Forscher unter der Leitung von Alex Zerbini von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) Daten aus verschiedenen Quellen. Schätzungen aktueller Walbestände beruhen auf Sichtungen von Schiffen und Flugzeugen, aus denen dann mit Hilfe ausgeklügelter statistischer Methoden eine wahrscheinliche Gesamtzahl hochgerechnet wird.

Für die Schätzungen historischer Bestände sind just die Aufzeichnungen jener von zentraler Bedeutung, die diese Bestände einst an den Rand des Aussterbens gebracht haben: Walfänger haben nämlich nicht nur ihre tatsächliche Beute dokumentiert, sondern auch die sogenannten "Struck-and-lost"-Raten – also Fälle, in denen Wale harpuniert wurden, aber entkamen und anschließend aller Wahrscheinlichkeit nach verendeten.

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Ihre katastrophalsten Auswirkungen hatte die Walfangindustrie nicht in der Ära von "Moby Dick", sondern in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Neue Harpunentechnologie machte es möglich, nun auch auf die Riesen unter den Bartenwalen in großem Stil Jagd zu machen. Binnen weniger Jahre wurden in manchen Meeresregionen fünf- oder sogar sechsstellige Bestände von Buckel- oder Blauwalen auf Restpopulationen von wenigen hundert Tieren zusammengeschossen.

Warum Schutzmaßnahmen nur langsam Erfolg zeigen

Das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs wurde bereits 1946 abgeschlossen, weil sich das Aussterben der Großwale abzeichnete. 1986 folgte dann das internationale Walfangmoratorium, an das sich bis auf wenige schwarze Schafe alle Staaten halten. Dass sich die Großwale seitdem trotzdem nur bedingt erholt haben, liegt an ihrem langsamen Reproduktionszyklus: Pro Trächtigkeit bringt ein Weibchen in der Regel nur ein Junges zur Welt, und zwischen den Trächtigkeiten vergehen Jahre. Selbst unter Schutz gestellt, können die Walbestände also nur langsam wachsen.

Die Situation im Südwestatlantik ist daher auch als überdurchschnittlich gut einzustufen. Der weltweite Gesamtbestand an Buckelwalen wird heute auf etwa 80.000 Tiere geschätzt – vor der Walfangära sollen es an die 130.000 gewesen sein. Im Gesamtverlauf des 20. Jahrhunderts wurden über 200.000 Buckelwale von Walfängern getötet.

Mühevolles Comeback des Blauwals

Noch krasser ist der Unterschied zwischen regionalen Populationen und dem Gesamtbestand beim größten aller Wale, dem Blauwal (Balaenoptera musculus). So soll sich die Population vor der nordamerikanischen Pazifikküste inzwischen wieder auf Prä-Walfangniveau befinden. Die war mit etwa 2.000 Tieren aber immer vergleichsweise unbedeutend.

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Zwischen 10.000 und 25.000 Blauwale soll es heute wieder geben: ein großer Fortschritt gegenüber der Situation in der Walfang-Ära. Und doch ist es kaum ein Zehntel des Bestands, den es davor gegeben hatte.
Foto: REUTERS/Joshua Barton

Die größten Ansammlungen von Blauwalen und zugleich den Löwenanteil des Gesamtbestands gab es bis zum 20. Jahrhundert im Antarktischen Ozean. Weit über 200.000 Tiere sollen dort gelebt haben, doch nur einige hundert davon sind den Walfängern entgangen. Heute wächst die antarktische Population wieder mit einer eindrucksvoll klingenden Rate von 7,3 Prozent pro Jahr – angesichts der geringen Ausgangszahl ist der Weg zurück zu alter Größe aber noch sehr weit. (jdo, 2. 11. 2019)