Der Ur-Vierfüßler Parmastega aelidae (links unten und Bildmitte) in seinem Lebensraum. Im Hintergrund naht der Sturm, der die Lagune samt ihren Bewohnern vor 372 Millionen Jahren unter Sedimenten begraben hat.
Illustration: Mikhail Shekhanov, Ukhta Local Museum

Inzwischen hat man sich weitgehend von der alten Vorstellung verabschiedet, dass der Landgang der Wirbeltiere durch Fische erfolgte, die mühsam ihre Flossen in den Boden stemmten und den Körper über den Strand schleiften. Viel eher dürften sich die Flossen unserer Ururahnen schon im Wasser zu Bein-Vorläufern entwickelt haben. Möglicherweise geschah dies, um im flachen Wasser zwischen Steinen und Pflanzen besser navigieren zu können.

Aber selbst mit der Vierbeinigkeit scheint kein gerader Weg vom Leben im Meer zur "Eroberung" des Landes geführt zu haben. Das schließt ein internationales Paläontologenteam aus Fossilienfunden, die in der Sosnogorsk-Formation in der nordwestrussischen Republik Komi gemacht wurden.

Zeitzeugen einer entscheidenden Epoche

Das dort entdeckte Tier mit der Bezeichnung Parmastega aelidae lebte im Devon vor etwa 372 Millionen Jahren. Damit ist es ein paar Millionen Jahre älter als der legendäre Ichthyostega, der seit seiner Erstbeschreibung 1932 als Missing Link gilt, und ein paar Millionen Jahre jünger als der erst 2006 beschriebene Tiktaalik, der es mittlerweile auch zu einigem Ruhm gebracht hat. Bei keinem dieser Tiere ist hundertprozentig geklärt, wie landtauglich es nun wirklich war.

Der in "Nature" vorgestellte Parmastega war etwa einen Meter lang und hätte äußerlich einem gestauchten Krokodil geähnelt. Der 27 Zentimeter lange Schädel hatte kräftige Kiefer, die mit Reihen von nadelspitzen Zähnen besetzt waren. Feine Kanäle an den Schädelseiten interpretieren die Forscher als Anzeichen für Seitenlinienorgane, mit denen sich Druckunterschiede wahrnehmen lassen, die durch Bewegungen im Wasser ausgelöst werden. Besonders auffällig an dem Tier war allerdings die Position der Augen ganz oben am Schädel.

Mit seinen Kiefern konnte Parmastega kräftig zupacken.
Foto: Pavel Beznosov

Vor allem letzteres Merkmal führte die Forscher um Per Ahlberg von der Universität Uppsala zur Vermutung, dass Parmastega ein Lauerjäger war. Er könnte den Körper knapp unter der Wasseroberfläche gehalten haben und hätte dank der Augenposition dennoch gut beobachten können, was sich am Ufer tat. Heute in einer kalten Region gelegen, war die Fundstätte im Devon eine tropische Lagune. Im Uferbereich könnte sich damals lohnende Beute in Form von Gliederfüßern – etwa Tausendfüßer oder Seeskorpione – getummelt haben.

Parmastegas Jagdtaktik muss zwar Spekulation bleiben. Ahlberg hält es allerdings für möglich, dass das Tier nur zum Beutefang an Land schnellte und dann wieder ins Wasser zurückglitt. Als Indiz dafür werten die Forscher das Skelett des Tiers. Der Schultergürtel bestand teilweise nur aus Knorpelgewebe. Das ist weicher als Knochen und zersetzt sich schneller – da die Gliedmaßen des Fossils fehlen, könnten sie also ausschließlich von einem Knorpelskelett gestützt gewesen sein. Für eine Fortbewegung an Land wäre Parmastega damit kaum geeignet gewesen. Er blieb wohl im Wasser, Vierfüßler-Verwandtschaft hin oder her.

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Der 2006 entdeckte Tiktaalik lebte in derselben Ära wie Parmastega (und sah ihm auch recht ähnlich).
Foto: REUTERS/Beth Rooney

Das heißt freilich nicht, dass der Landgang der Wirbeltiere erst später stattgefunden haben kann. Im Gegenteil: In verschiedenen Regionen der Welt wurden bereits Fußabdrücke von Wirbeltieren entdeckt, die sogar deutlich älter sind als Parmastega. Die ältesten davon stammen aus Polen und sind 395 Millionen Jahre alt – und sie zeigen keine Anzeichen dafür, dass ihre Verursacher robben mussten. Diese Ur-Landwirbeltiere gingen offenbar bereits. Leider bleiben sie aber weiterhin unbekannt, da noch keine Fossilien ihrer Körper gefunden wurden.

Am Beispiel von Parmastega zeigt sich laut Ahlberg somit einmal mehr, dass die Evolution nie so geradlinig verläuft, wie man es in der Theorie vielleicht gerne hätte. Der Landgang habe in einem Kontinuum stattgefunden: Innerhalb derselben Tiergruppe lebten manche Arten noch im Wasser, während ihre Verwandten längst über trockenen Boden schritten. Der Ursprung der Landwirbeltier-Stammbaums ähnele mehr und mehr einem "verästelteten Busch ökologischen Experimentierens". (jdo, 23.11.2019)