Die KI Alphastar hat in "Starcraft 2" den Rang des Grandmasters mit allen drei Rassen erreicht.

Foto: Starcraft 2

Mal ist sie zu dumm und leicht zu schlagen, mal unbarmherzig und unbesiegbar. Künstliche Intelligenz in Spielen wurde seit den 1990ern immer wieder zum Gesprächsthema – besonders seit dem Aufkommen von Genres wie der Echtzeitstrategie, die plötzlich komplexe Spielmechaniken mit der Notwendigkeit schneller Reaktion paarten, statt dem Computer Runde um Runde genug "Bedenkzeit" einzuräumen.

Die Fortschritte seither sind beachtlich. Lamentierten viele damals noch über die dummen Tiberiumsammler im ersten Command & Conquer-Teil, die schon einmal Umwege durch die gegnerische Basis fuhren, messen sich die virtuellen Herausforderer des Jahres 2019 bereits mit E-Sport-Profis. Ein Überblick über wichtige Meilensteine.

Deep Blue vs. Garri Kasparow

1996 trat Deep Blue, ein von IBM entwickelter Schachalgorithmus mit Supercomputer im Hintergrund, gegen die russische Schachlegende Garri Kasparow an – und verlor mit 2:4. Dennoch wurde er zur ersten Software, die einen Schachweltmeister in einem Spiel unter Turnierbedingungen schlagen konnte. 1997 legte man eins drauf und gewann das Match mit 3,5:2,5.

BBC News

Die Signifikanz dieses frühen Erfolges ist mittlerweile überschaubar, waren doch heutige KIs mit neuronalen Netzwerken noch in weiter Ferne. Zudem würden sowohl Kasparow als auch Deep Blue in seiner damaligen Form heute wohl von jedem durchschnittlichen Schachprogramm geschlagen werden. Denn: Schach ist eigentlich ein "gelöstes" Spiel. Gemessen an den Kapazitäten moderner Hardware ist die endliche Anzahl an Stellungs- und Zugmöglichkeiten nicht mehr wirklich problematisch. Ein neuronales Netzwerk wird nicht gebraucht, im Prinzip reicht ein statischer Algorithmus im Verbund mit einer großen Datenbank.

Watson schlägt "Jeopardy"-Veteranen

Es war abermals IBM, das 15 Jahre später Wellen schlagen sollte. Die künstliche Intelligenz Watson trat nach jahrelangem Training in der US-Gameshow Jeopardy an. In dieser müssen Teilnehmer Geld setzen und auf Basis gesprochener Hinweise Begriffe raten. 2010 konnte Watson in Testspielen bereits Menschen besiegen, die erfolgreich in der Show angetreten waren. Im Februar 2011 schließlich stieg es in drei Sonderausgaben der Show gegen Ken Jennings und Brad Rutter in den Ring, die bei der Show einst legendäre Rekordläufe hingelegt hatten – und siegte klar.

IBM Research

Bedeutend war das Projekt vor allem als Demonstration der Fortschritte in Sachen Spracherkennung und -interpretation. IBM hat Watson seitdem immer weiter entwickelt. Die KI findet mittlerweile auch geschäftlichen Einsatz, allerdings nicht immer zum Vorteil ihrer menschlichen Mitarbeiter. 2017 ersetzte die japanische Versicherung Fukoku Mutual mit ihr 34 Mitarbeiter, die für die Überprüfung von Namen, die Auswertung von Krankenberichten und die Kalkulation von Auszahlungen zuständig waren.

Alphago zwingt weltbesten Go-Spieler in die Knie

Mit Go verhält es sich eigentlich wie mit Schach: Theoretisch ist das asiatische Brettspiel gelöst. Praktisch hilft das dem Computer allerdings nicht, weil die Anzahl der möglichen Züge fast unbegrenzt ist. Folglich muss sich eine KI eigene Strategien aneignen, um gegen Profis bestehen zu können. So geschehen mit Alphago von der zu Google gehörenden Firma Deepmind.

DeepMind

Die Forscher fütterten sie mit dem Regelwerk des Spiels und den Daten zahlreicher Profipartien. Danach überließ man sie dem Spiel gegen sich selbst. 2016 bezwang die KI schließlich den Spitzenspieler Lee Sedol. Und im Jahr darauf setzte sie sich auch gegen den nochmals als deutlich stärker eingeschätzten Weltmeister Ke Jie mit 3:0 durch. Bald darauf ging man sogar einen Schritt weiter und schaffte es, dass sich die Folgeversion der KI (Alphago Zero) sogar die Regeln des Spiels selbstständig aneignen konnte, indem sie Matches analysierte.

Maluuba stellt "Ms. Pac-Man"-Rekord auf

2017 waren es Forscher von Microsoft, die eine neue Qualität von künstlicher Intelligenz demonstrierten, die erst mit der Entwicklung neuronaler Netzwerke möglich wurde. Ihr kluges Programm, Maluuba, brachte sich bei, das schnelle und unberechenbare Arcade-Game Ms. Pac-Man zu spielen.

Microsoft Research

Dabei setzte man Subnetzwerke auf jede einzelne Aufgabe – Navigation, Punkte und verwundbare Geister fressen, nicht von unverwundbaren Geistern erwischt werden – an, die sich in dem Game stellt. Dieser Zugang ermöglichte es letztlich, einen Highscore zu erreichen, den bis dahin noch kein menschlicher Spieler geschafft hatte. Die Erkenntnisse sollen künftig beim KI-Einsatz in diversen Bereichen hilfreich sein, reichend von Finanzmanagement bis hin zu Robotik.

Open AI bezwingt "Dota 2"-Champions

Ganz unerwartet kam der Sieg des KI-Teams "Open AI Five" gegen regierenden Weltmeister im MOBA Dota 2 im vergangenen April nicht. Immer wieder hatten die Entwickler ihr System gegen immer bessere Spieler antreten lassen und dabei beeindruckende Fortschritte erzielt. Nicht nur konnte man relativ schnell Hobbyisten und ambitioniertere Ranglistenspieler in die Schranken weisen, auch kann die KI mit immer mehr Elementen des hochkomplexen Games umgehen.

Two Minute Papers

Verlor man 2018 bei einem Showmatch beim "International" (praktisch die Dota 2-WM) noch gegen ein Profiteam trotz einiger Regeleinschränkungen, musste sich vor einem halben Jahr schließlich OG mit 0:2 geschlagen geben; zuvor hatten die Open AI Five auch schon die Topteams Lithium, SG und Alliance ebenfalls mit 2:0 besiegt. Der Heldenpool der KI war immerhin schon auf 17 Charaktere angewachsen, die sie auf professionellem Niveau spielen konnte, und sie hatte neue Spielmechaniken erlernt. Und sie hatte in Trainingsspielen gegen sich selbst neue Strategien entwickelt, die später von Profiteams ausprobiert wurden. Das Projekt wird weitergeführt und bildet auch die Grundlage für die Anwendung der KI in anderen Feldern – etwa zur Steuerung einer Roboterhand.

Alphastar erreicht höchsten Rang in "Starcraft 2"

Das bringt uns zum aktuellsten Meilenstein von KI in Spielen. Alphastar, eine Entwicklung von Deepmind, hat Blizzards Echtzeitstrategiespiel Starcraft 2 auf Profiniveau gemeistert. Im Sommer in die kompetitiven Spiele gestartet, erreichte sie als erste künstliche Intelligenz kürzlich mit allen drei spielbaren Rassen (Terraner, Protoss, Zerg) den höchstmöglichen Rang Grandmaster. Dabei spielt sie unter fairen Bedingungen, muss also die Karte erforschen, kann nicht durch den Nebel des Krieges sehen und darf nicht mehr Aktionen pro Minute ausführen als viele Profis. Unschlagbar ist sie nicht, sie soll aber mittlerweile 99,8 Prozent aller Starcraft 2-Spieler überlegen sein.

nature video

Auch hier geht es nicht nur um das Spielen um des Spielens willen, sondern um die Entwicklung flexibler KIs, die sehr komplexe Aufgaben bewältigen können und sich somit leicht für den Einsatz in verschiedenen Feldern adaptieren lassen. (gpi, 1.11.2019)