Der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger hat das NS-verherrlichende Liederbuch bei sich zu Hause.

Foto: Kronen Zeitung / Andreas Schiel

Zwei Dinge haben bei den Freiheitlichen auch ein halbes Jahr nach
dem parteiumkrempelnden Ibiza-Gate noch Bestand: rechtsrechte "Ausrutscher" ihrer Funktionäre – und die Verteidigungsstrategie der Partei danach.

Den aktuellen Einzelfall deckte die Kronen Zeitung am Mittwoch auf: Der Burschenschaft des steirischen Nationalratsabgeordneten Wolfgang Zanger (FPÖ) wurde ein Liederbuch gewidmet, dessen widerwärtigste Texte vor Antisemitismus und Rassismus nur so strotzen. Während auf der Bude des Corps Austria zu Knittelfeld offenbar keine Ausgabe des 444 Seiten starken Buches mehr aufliegt, erzählte Zanger auch im Gespräch mit dem STANDARD freimütig, ein Exemplar zu Hause liegen zu haben. Und er verweigerte jegliche Distanzierung von den Inhalten.

ORF-Journalist Thomas Langpaul über die Liederbuchvorwürfe.
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FPÖ verweist auf SJ-Shirts

Die Freiheitlichen gingen zum Gegenangriff über: FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker attackierte in einer Aussendung die Sozialistische Jugend (SJ). In deren Liederbuch heiße es nämlich: "Wir hassen euch, ihr Drohnen. Auf Gut, Fabriken und Bank. Ihr Räuber der Nationen, wir sind euer Untergang."

Im Onlineshop der roten Parteijugend wird außerdem, zum Schrecken der Freiheitlichen, ein T-Shirt vertrieben, dessen Aufdruck dazu auffordert, lieber unter dem Einfluss von Marihuana Sex zu haben, als alkoholisiert Auto zu fahren. Das gebe "einen tiefen Einblick in die verquere Gedankenwelt der jungen Genossen von Frau Herr und Co", schreibt Hafenecker.

Ein Text auch im MKV-Liedbuch

Gleichzeitig holt die Partei auch zum Schlag gegen den ÖVP-nahen Mittelschüler-Kartellverband (MKV) aus, in dessen Liedbuch einer der problematischen Texte ebenfalls abgedruckt sei. Es handelt sich dabei um eine Strophe des Liedes "Es lagen die alten Germanen", in der unter anderem dem römischen Senator Tacitus ein "Heil Hitler!" in den Mund gelegt wird. Der steirische ÖVP-Chef und Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer ist Ehrenmitglied des MKV – und hatte den FPÖ-Landesparteichef Mario Kunasek in der Causa Zanger zum Handeln aufgefordert.

Allerdings erklärte der Cartellverband, zu dem der MKV gehört, am Freitag, dass sich das Lied in der aktuellsten Auflage des Liederbuchs gar nicht mehr finde – und in früheren Auflagen durch einen einordnenden Hinweis ergänzt wurde: "Dieser parodistische Text zur älteren Melodie bespöttelt übertriebene Deutschtümelei, insbesondere Nazismus und Rassenlehre." Hinzu kommt, dass die Kronen Zeitung am Freitag neue Liedzeilen veröffentlichte, die am antisemitischen Einschlag des Druckwerks keinen Zweifel mehr lassen: "Polenmädchen sind verboten, Judenschicksen sind tabu, eine Stute zu besteigen, lässt der Veterinär nicht zu", steht da etwa.

Antisemitismus als Kapitalismuskritik

Schon am Donnerstag zitierte die Krone aus einem antisemitischen Schmähtext: "Rothschild hat das meiste Geld. Schließlich muss in jedem Fache einer doch der Größte sein, und so ist auch ohne Zweifel festgestellt das größte Schwein." Die Familie Rothschild ist von jeher Ziel antisemitischer Verschwörungstheorien.

Zanger erklärte den Text auf STANDARD-Anfrage so: "Wenn man heute von einem Rothschild liest, dann denke ich, dass sie (die Verfasser, Anm.) den Kapitalismus abgelehnt haben." Eine Distanzierung verweigerte er anfangs noch, später erklärte er in einer Aussendung, "jede Form von Rassismus, Nationalsozialismus und Antisemitismus" abzulehnen.

Rücktrittsaufforderungen an Zanger

Nach SPÖ, Grünen und Neos forderte am Freitag auch die ÖVP den Rücktritt des blauen Abgeordneten. Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl zeigte sich angesichts der neu veröffentlichten Liedzeilen schockiert darüber, "wie tief der Antisemitismus in der Zanger-Burschenschaft verankert ist". Das mache seinen Rücktritt unausweichlich: "Die neuen Passagen sind an Antisemitismus kaum zu überbieten, hier muss es ganz klar Konsequenzen geben. Wolfgang Zanger muss zurücktreten und aus allen Parteiämtern ausscheiden."

Zudem ermittelt laut "Krone"-Bericht der steirische Landesverfassungsschutz in der Causa.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Abgeordnete mit fragwürdiger Distanz zum Nationalsozialismus auffällt. Schon 2006 – damals war er gerade erst in den Nationalrat eingezogen – erklärte er im ORF-Report: "Natürlich hat es gute Seiten am Nationalsozialismus gegeben, nur die hören wir heute alle nicht mehr." Er führte dabei den historisch längst widerlegten Mythos des von Adolf Hitler veranlassten Baus der Autobahnen an.

Geschadet hat das Zanger nicht: Er zog auch 2008, 2013, 2017 und 2019 wieder über die FPÖ-Liste in den Nationalrat ein. (Sebastian Fellner, 1.11.2019)