Der 32-jährigen Ausnahmekünstlers Igor Levit blieb dem Putzigen, Adretten verhaftet.

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Zwei Stücke mit dem Motto "larger than life", dazwischen Minimundus: So in etwa ist der Fahrplan des Konzerts des Pittsburgh Symphony Orchestra unter Manfred Honeck im Musikverein beschrieben. Die Rolle des alerten Advokaten der kleinen, feinen Welt übernahm Igor Levit, er spielte Mozarts Es-Dur-Klavierkonzert KV 482. Das klassische Plädoyer des 32-jährigen Ausnahmekünstlers geriet virtuos, kenntnisreich und nuanciert – aber auch so harmlos. Es blieb hingebungsvoll dem Putzigen, Adretten verhaftet. Musizieren im Diminutiv.

Die hurtigen Sechszehntelläufe in den Ecksätzen (der Finalsatz war grenzwertig schnell) waren wie wohltemperierte Wirbelwinde, die durch das Puppenhaus der kleinen Marie Antoinette fegten. Die Töne langsamer melodischer Linien glichen glattpolierten, in Samt gebetteten Perlen. Da war enorm viel Kunstfertigkeit, aber wenig Leben. Man hätte gern mehr vom Menschen Mozart gehört und weniger vom Nobeljuwelier. Auch die Zugabe, das Adagio der B-Dur-Klaviersonate KV 570, entführte in eine Kunstwelt des Idealen, in der sogar der Moll-Einbruch einen dunklen Maßanzug trug.

Auf die Extreme gesetzt

Mehr Action war bei Mason Bates’ Resurrexit zu erleben. Das Geburtstagsgeschenk des Orchesters zum Sechziger des geschätzten Chefs hörte sich an wie eine Filmmusikkompilation zum Blockbuster Jesus Christ Superman, produziert von Jerry Bruckheimer. Von Repression, Schmerz und erzwungenem Jubel erzählt Schostakowitschs Fünfte – die könnte man eigentlich auch einmal verfilmen. Honeck setzte in der versierten Deutung – für die Aufnahme des Werks erhielt man 2018 einen Grammy – auf die Extreme.

Im Moderato raubte einem die physische Gewalt des Blechs fast den Atem. Im zweiten Satz mit seinen an Mahlers Scherzo-Welten erinnernden Szenerien wurde zwischen eleganten Tänzchen aufgepumpt und klotzig des Weges gestapft: ein Arnold-Schwarzenegger-Allegretto. Nach einem seelenvollen, innigen Largo starteten die Amerikaner den Finalsatz mit dem Punch eines Mike Tyson. Die Zugabe zum Runterkommen: Saties Gymnopédies. Die Ausnahmekünstlerin: Soloflötistin Lorna McGhee. Jubel beim ersten von zwei Abenden. (Stefan Ender, 1.11.19)