Karoline Herfurth, die in "Das perfekte Geheimnis" Carlotta spielt, glaubt nicht, dass man die ganze Wahrheit über einen Menschen mit einem Blick in sein Handy erfährt.

Foto: Constantin

Wenn Ihnen dieses Sujet bekannt vorkommt, dann haben Sie den Film vermutlich schon in einem anderen Land gesehen: Das perfekte Geheimnis ist ein (nicht ganz originalgetreues) Remake des italienischen Kassenschlagers Perfetti sconosciuti, der insgesamt in 18 anderen Ländern erfolgreich umgesetzt wurde. Die aktuelle deutsche Variation stammt von Bora Dagtekin, der seit Fack ju Göhte selbst als Garant für Publikumshits gilt. Wieder sind es sieben Freunde – drei Pärchen und einer, der alleine aufkreuzt –, die sich ein Abendessen lang auf ein pikantes Spiel einlassen: Alle Handys liegen auf dem Tisch, jede Nachricht wird laut vorgelesen, jeder Anruf auf laut gestellt. Neben Elyas M’Barek, Jessica Schwartz und Frederick Lau sitzt auch Karoline Herfurth am Tisch. Das Gespräch mit ihr in einem Wiener Hotel wurde übrigens mit dem Handy aufgezeichnet.

STANDARD: Was haben Sie für eine Beziehung zu Ihrem Handy: obsessiv oder distanziert?

Herfurth: Ich bin eher nachlässig. Ich vergesse etwa regelmäßig, mein Handy aufzuladen, und lasse es sehr gerne irgendwo liegen.

STANDARD: Eigentlich kein schlechtes Zeichen.

Herfurth: Wenn ich länger im Zug sitze, dann verbringe ich schon auch mal gerne drei, vier Stunden am Handy. Man arbeitet ja auch damit, E-Mails beantworte ich gerne damit, auch Drehbücher lese ich am Handy. Privat telefoniere ich jedoch lieber oder treffe mich direkt. Und wenn ich auf Urlaub bin, weiß ich tatsächlich drei Tage lang nicht, wo es liegt.

Standard: Perfetti sconosciuti, die Vorlage des Films, wurde schon 18 Mal umgesetzt. Ist der Umgang mit dem Handy etwas, was uns auf der ganzen Welt verbindet?

Herfurth: Handys gibt es ja noch nicht so lange, deshalb sind die Regeln im Umgang damit noch nicht ganz klar. Darf man in ein Handy gucken oder nicht? Überträgt sich das Postgeheimnis? Wie geht man mit dieser neuen Öffentlichkeit um? Außerdem stellt sich die Frage, wie viele Geheimnisse eine Beziehung haben darf; und wie viele Dinge wir generell geheim halten – sogar vor uns selber. Alle unsere Protagonisten entblättern sich im Film ja selbst. Und da wir das Gefühl haben, dass unser ganzes Leben in diesem Gerät steckt, stellt sich auch die Frage, ob wir den Menschen besser kennen, wenn wir die entsprechenden Daten auswerten. Das ist eine Frage, die uns ja auch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene umtreibt.

STANDARD: Was wäre Ihre Antwort darauf?

Herfurth: Ich glaube nicht, dass ich die Wahrheit über einen Menschen lesen könnte, wenn ich sein Handy durchforste. Ein Mensch ist viel schwieriger zu lesen, weil es da immer noch etwas anderes gibt. Ich hab es daher viel lieber, Menschen durch Begegnungen kennenzulernen.

STANDARD: Man könnte auch sagen: Völlige Transparenz könnte schädlich sein. Ist es vielleicht ohnehin besser, weniger voneinander zu wissen?

Herfurth: Das kommt darauf an. Ist es ein positives oder negatives Geheimnis? Privatheit ist ein sehr hohes Gut. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Gedanken und einer Aktion, einer Tat. Die Gedanken eines anderen Menschen lesen zu können mag als Wunsch interessant sein – aber wollen wir das wirklich von unseren Partnern und Freunden wissen? Ich liebe die Privatheit, das Geheimnis.

STANDARD: Im Film wird im Zuge der Handy-Enthüllungen auch manche liberalere Einstellung als Schimäre entlarvt – gerade was moderne Mann-Frau-Rollenverteilungen anbelangt.

Herfurth: Das Spannende daran ist für mich, dass es nicht nur darum geht, geschlechterunabhängige Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu erreichen, sondern das Recht auf Familienzeit zu stärken. Ich habe von einer neuen Studie gelesen, nach der sich Eltern ganz grundsätzlich die Frage stellen, ob nicht das Private gegenüber der Arbeit mehr Raum einnehmen soll – viele Eltern sagen, arbeiten wir lieber weniger, dann gewinnen wir an menschlichen Verbindungen. Es geht eben auch darum, dass auch Männer mehr Familie wollen. Es geht dar um, Wahlfreiheiten zu schaffen – das sollte in einer rechtsstaatlichen Demokratie ja eigentlich der Normalfall sein.

STANDARD: Das hängt wohl auch mit Generationsverschiebungen zusammen – wie man sie etwa auch an der neuen Popularität von ökologischen Themen sehen kann.

Herfurth: Ich bin ein sehr sozial eingestellter Mensch und finde, die soziale Frage kommt in der Politik zurzeit zu kurz. Wenn man die Ungleichheit in Gesellschaften diskutiert, ist es sehr einfach, abgehängte Menschen auf noch abgehängtere Menschen loszulassen. Die eigentliche Frage ist ja, wie wir Wohlstand und Ressourcen gerechter verteilen.

STANDARD: Es wird zu oft horizontal als …

Herfurth: … vertikal argumentiert. Genau, dabei glaube ich, dass dies die Ursache sehr vieler gesellschaftlicher Probleme ist.

STANDARD: Sozial ist auch "Das perfekte Geheimnis" – und zwar in seiner Form des Ensemblefilms. Welche Dynamiken ergeben sich, wenn sieben Schauspieler an einem Tisch sitzen. Ist das wie ein Klassenausflug?

Herfurth: Es hat auf jeden Fall dazu geführt, dass wir uns kennengelernt haben. Es gab 45 Drehtage, alle immer an einem Tisch. Immer dieselbe Serviette, immer dieselbe Konstellation, Elyas saß immer links neben mir. Und dann die Frage, wie man so einen Abend über eine so lange Zeit erzählt: Wie hält man die Energie oben? Wie bleibt man in der Gruppe? Natürlich gab es auch den Gedanken, was passiert, wenn eine negative Dynamik entsteht. Wenn mal einer schlechte Laune hatte, hat man gemerkt, was das mit dem ganzen Team gemacht hätte. Zum Glück ist das selten vorgekommen. Wir waren eine sehr eingeschworene Truppe. (Dominik Kamalzadeh, 1.11.19)