Der Grünen-Politiker Cem Özdemir ist in Deutschland nicht der einzige Politiker, der wegen rechtsextremer Drohungen Personenschutz erhält.

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Berlin – Der deutsche Grünen-Politiker Cem Özdemir hat nach einem Medienbericht mutmaßlich von Rechtsextremisten eine E-Mail mit einer konkreten Todesdrohung erhalten. Er stehe als erster Name auf einer Todesliste, hieß es demnach Ende Oktober in dem Schreiben einer Gruppe mit dem Namen "Atomwaffen Division Deutschland" an das Büro des türkischstämmigen Bundestagsabgeordneten.

Eine rechtsextremistische Gruppe "Atomwaffen Division" (AWD) gibt es in den USA. Die Zeitungen der Funke-Mediengruppe zitieren aus der ihnen vorliegenden Mail: "Zurzeit sind wir am Planen wie und wann wir Sie hinrichten werden, bei der nächsten öffentlichen Kundgebung? Oder werden sie von uns vor ihrem Wohnort abfangen."

Schon länger unter Personenschutz

Der 53-jährige Ex-Grünen-Chef gab die Mail an die Bundestagspolizei und das Bundeskriminalamt (BKA) weiter. Er wurde in der Vergangenheit bereits wegen seiner scharfen Kritik am türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan von türkischen Nationalisten massiv bedroht und erhält seit längerem Personenschutz.

Das BKA verwies auf Anfrage der Zeitungen allgemein auf eine Stellungnahme vom vergangenen Jahr: "Die Gefährdung durch extrem rechte und rechtsterroristische Gewalttaten in der Bundesrepublik Deutschland bleibt, auch nach der Ankündigung der Existenz eines deutschen Ablegers der AWD, unverändert auf einem abstrakt hohen Niveau."

Kein Einzelfall

Özdemir sagte den Zeitungen: "Ich kann mich auf den Begleitschutz durch das BKA verlassen. Doch was ist mit all den Kommunalpolitikerinnen und den ehrenamtlich Engagierten, die angefeindet werden und keinen Personenschutz haben?" Es müsse möglich sein, am Spielfeldrand, im Bus und auf der Betriebsfeier für eine offene Gesellschaft einzutreten, ohne danach Hasskommentare in den sozialen Netzen zu bekommen.

Die deutsche Regierung hatte erst vor kurzem angekündigt, mit schärferen Strafen, erweiterten Kompetenzen der Behörden und einer Meldepflicht für strafbare Inhalte im Internet auf die rechte Gewalt der vergangenen Monate reagieren zu wollen. Der Plan sieht auch einen besseren Schutz für Kommunalpolitiker vor. Außer Özdemir bekamen zuletzt einige deutsche Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker Morddrohungen aus der rechtsextremen Szene, darunter der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring und Grünen-Chef Robert Habeck.

Mord an Lübcke als Auslöser

Im Juni war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) ermordet worden. Stephan E., der den Behörden vor Jahren als Rechtsextremist aufgefallen war, sitzt in diesem Fall als Hauptverdächtiger in Untersuchungshaft.

2018 wurden Politiker und Behördenvertreter in Deutschland insgesamt 1.256 Mal Opfer politisch motivierter Straftaten. Darunter waren 43 Gewaltdelikte, wie BKA-Präsident Holger Münch und Innenminister Horst Seehofer (CSU) im Mai mitgeteilt hatten. 517 dieser Straftaten ordnete die Polizei der rechten, 222 der linken Szene zu.

Vor der Landtagswahl in Thüringen hatte der CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring eine neuerliche Morddrohung gegen ihn öffentlich gemacht, offensichtlich aus der rechtsextremen Szene. Auch der Spitzenkandidat der Grünen im Thüringer Landtagswahlkampf, Dirk Adams, wurde nach eigenen Angaben von Rechtsextremisten bedroht. (APA, 2.11.2019)