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Sebastian Kurz und Werner Kogler sondieren ob sich das gemeinsame Regieren ausgehen könnte.

Foto: Reuters Föger

Vom Grad der grün-türkisen Anbiederung her kann man davon ausgehen, dass die Koalition so gut wie fix ist. Die laufenden Sondierungen sind eigentlich nur noch Folklore, der Aufnahme von Koalitionsgesprächen steht nichts im Wege. ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der sich im Wahlkampf noch als grüner Oberschnösel verunglimpfen lassen musste, findet das jetzt lustig und lobt Grünen-Chef Werner Kogler für dessen bodenständigen Humor. Sigrid Maurer, die bis vor kurzem als Inbegriff des grünen Schreckgespensts galt, vertraut dem ÖVP-Chef nun voll und ganz. Selbst Michel Reimon, Hardliner des grünen Weltverbesserungstums, ist ganz weichgespült. Oder hält zumindest still. Wolfgang Sobotka, türkiser Chef-Choleriker im Parlament, will die Grünen an der Hand nehmen und behutsam in den Hafen der türkis-grünen Zweisamkeit führen.

Grüne Beteiligung mangels Alternativen

Dass die Gespräche zwischen ÖVP und Grünen noch als zärtliches Vorspiel des Sondierens bezeichnet werden, wo es doch schon inhaltlich zur Sache geht, könnte man als lässlichen Etikettenschwindel sehen. Längst haben sich die direkt Beteiligten, die anderen Parteien und auch die Öffentlichkeit in den Umstand hineingefunden, dass Österreich seine erste Bundesregierung mit grüner Beteiligung bekommen wird. Und viele finden das gut. Was freilich auch an den mangelnden Alternativen liegt.

Der ÖVP ist längst klar geworden, dass sich ein neuerliches Zusammengehen mit den blau-braunen Kohorten nicht rechtfertigen lässt. Dieser Tage führen Norbert Hofer und seine ewiggestrigen Sängerknaben wieder eindringlich vor, warum das nicht geht – und eigentlich schon früher nicht hätte gehen sollen.

Die SPÖ ist für Sebastian Kurz keine Option, da sind die emotionalen und ideologischen Gräben einfach zu tief, das führt zu nichts. Also: Grüne.

Vom Image her lässt sich das auch prächtig verkaufen. Kurz wird es sich auf die Fahnen heften, der erste Kanzler zu sein, der den Spagat zwischen Ökologie und Ökonomie hinbekommt. Eine moderne Regierung, die auf die Jungen zugeht, ohne die Alten außer Acht zu lassen – da lässt sich das Image des Kanzlers auf Hochglanz polieren.

Kurz braucht die Grünen

Für die Grünen ist das keine schlechte Ausgangsposition, auch wenn sie sich vom Image her ungleich schwerer tun werden, das Kuscheln mit Kurz ihren Anhängern als politischen Idealzustand zu verkaufen. Aber sie können jetzt einmal fordern. Kurz braucht sie. Da sollte sich in den Koalitionsverhandlungen einiges herausholen lassen. Und es muss ein überzeugendes Ergebnis her, um die bisherigen Wähler, die allesamt eher nicht dem Lager jener zuzurechnen waren, die große Sympathien für Kurz aufbrachten, bei der Stange zu halten.

Da müssen nicht nur die Grünen liefern, da muss sich vor allem Kurz ordentlich bewegen. Das beginnt bei Großprojekten, die auf ihren Sinn und den ökologischen Schaden geprüft werden müssen, das führt im Kleinen zu all den Fällen, bei denen bisher zwischen guten Inländern und bösen Ausländern unterschieden wurde. Die Grünen haben sich nie für illegale Migration ausgesprochen, da wird es kein Problem geben, aber sie waren immer dagegen, jene bewusst zu benachteiligen, die bereits im Land sind. Da gibt es nichts, was sich nicht lösen und verbessern ließe, aber es braucht eben ein bisschen Einsehen, eine Portion Mut sowie Selbstdisziplin und Überzeugungskraft. Das kann auch Kurz hinbekommen – mit Koglers Hilfe. (Michael Völker, 3.11.2019)