Viele Pfleger seien mit einer nur zwei- bis dreiwöchigen Ausbildung noch kein Fachpersonal, so der Verein Pflege Help.

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Bukarest – Der Verein Pflege Help, der rumänisches 24-Stunden-Pflegepersonal in Österreich unterstützen soll, hat die Arbeitsbedingungen der Pflegerinnen und Pfleger angeprangert. "Vermittlungsagenturen betreiben hier moderne Sklaverei", sagte Milorad Erdelean vom Wiener Büro des Vereins am Samstag vor Pressevertretern in Bukarest.

"2018 waren über 50 Prozent der rund 60.000 aktiven Pflegerinnen und Pfleger in Österreich rumänische Staatsbürger", sagte Adrian Saicu, Gründer des Vereins. Dem sollen lediglich 126 österreichische Staatsbürger gegenüberstehen. Erdelean erklärte, dass besonders die Sprachbarriere ein Problem sei. Diese lasse das meist weibliche rumänische Pflegepersonal beispielsweise "blind" Verträge unterzeichnen, deren Konditionen erst später verstanden würden. Viele Pfleger gingen darum fälschlicherweise von einem Angestelltenverhältnis aus, würden sich dann jedoch im Ernstfall bewusst, als Selbstständige gemeldet zu sein und keine Sozialabgaben oder Krankenversicherungsbeiträge gezahlt zu haben.

Falsche Medikamente verabreicht

"Die Bevölkerung Europas wird älter, sodass innerhalb kürzester Zeit immer mehr Pflegepersonal gebraucht wird. Das verringert die Qualität", sagte Catalin Grigorescu von der Medizinischen Universität Bukarest. Die sei ein "gesamteuropäisches Problem", das nicht nur Rumänien und Österreich betreffe. Laut Erdelean sind viele Pfleger zudem mit einer nur zwei- bis dreiwöchigen Ausbildung kein Fachpersonal. Es habe sogar Analphabeten gegeben, die falsche Medikamente verabreicht haben sollen. Dies führe zusammen mit dem Informationsmangel in Bezug auf das Arbeitsrecht zu Konflikten mit Angehörigen der Pflegebedürftigen.

Grigorescu forderte darum, konkrete arbeitsrechtlich zu erfüllende Kriterien festzulegen, um Missstände zu beseitigen und Steuereinnahmen zu erhöhen. Erdelean sprach sich für gesetzlich verpflichtende Aus- und Weiterbildungen aus, die der im Mai gegründete Verein Pflege Help anbieten wolle. Zudem soll der Verein als außergerichtliche Schlichtungsstelle zwischen dem Personal und den Angehörigen der zu Pflegenden dienen.

Kritik an gekürzter Familienbeihilfe

Für den ehemaligen rumänischen Innenminister Cristian David führt die mangelnde Integration rumänischer Arbeitskräfte in Österreich zu einem "Zivilisationskonflikt". Mit Stand 2018 sollen zwischen 120.000 und 150.000 Rumänen in Österreich wohnen. Dass rund 10.000 rumänische Kinder im österreichischen Bildungssystem ausgebildet werden, sei eine effektive Integrationsmaßnahme.

David kritisierte die zu Jahresbeginn in Kraft getretene Reform der österreichischen Familienbeihilfe, deren Höhe nunmehr an die Lebenserhaltungskosten des Wohnorts des Kindes angepasst wird, was besonders für Familien aus Osteuropa deutliche Einbußen bedeutet. "Die Reform der Familienbeihilfe trifft die ganze Gemeinschaft der Rumänen in Österreich", sagte er.

Westen als Illusion

"Fünf Millionen Rumänen arbeiten im EU-Ausland, auch Österreich nutzt das aus", sagte Grigorescu und gab zu bedenken, dass ohne seine Landsleute vieles zusammenbrechen würde. Die meisten würden von der Aussicht auf vermeintlich höhere westeuropäische Gehälter angezogen.

Die Realität sehe dann jedoch oft anders aus, da diese dann oft schlecht bezahlte Schwarzarbeit verrichteten und in Rumänien aufgrund der erhöhten Nachfrage nach gut ausgebildetem Personal besser verdienen würden. "Es ist eine Illusion, dass es ihnen im Westen besser geht", sagte er. Der rumänische Innenminister David sagte, dass Rumänien die Fachkräfte dringend benötige. (APA, 4.11.2019)