Wenn ein Kind krank wird, ist das für berufstätige Eltern organisatorisch häufig eine Herausforderung. Können die Großeltern nicht einspringen, muss ein Elternteil bei den Kindern zu Hause bleiben; oft sehr zum Missfallen des Arbeitgebers. Der Arbeitgeber kann in solchen Fällen allerdings nicht verlangen, dass man seinen Erholungsurlaub verbraucht.

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Wenn das Kind erkrankt, darf man zu Hause bleiben, um es zu pflegen. Die Bezahlung bleibt dennoch aufrecht.
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Arbeitnehmer haben einen Rechtsanspruch auf bezahlte Pflegefreistellung (umgangssprachlich Pflegeurlaub), wenn sie aufgrund der notwendigen Pflege eines erkrankten Kindes (oder eines anderen nahen Angehörigen) nicht zur Arbeit erscheinen können. Das gilt nicht nur für die leiblichen Kinder, sondern auch für Wahl- oder Pflegekinder. Was viele nicht wissen: Seit einigen Jahren können auch Stiefelternteile Pflegeurlaub nehmen, wenn sie die im gemeinsamen Haushalt lebenden Kinder ihres Ehegatten oder Lebensgefährten pflegen müssen.

Eine Pflegefreistellung steht nur zu, wenn die Pflege notwendig ist und keine andere geeignete Person (zum Beispiel der nicht berufstätige andere Elternteil oder die Großeltern) die Pflege übernehmen kann. Die Eltern sind aber grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, ihre kranken Kinder von fremden Dritten (zum Beispiel einer bezahlten Pflegekraft) pflegen zu lassen. Wenn beide Elternteile berufstätig sind, können sie entscheiden, wer die Pflegefreistellung in Anspruch nimmt. Der Arbeitgeber kann dies nicht mit der Begründung verweigern, dass auch der andere Elternteil beim Kind zu Hause bleiben soll. Die Voraussetzung für die Pflegebedürftigkeit des Kindes ist auf Verlangen des Arbeitgebers nachzuweisen (durch Vorlage einer ärztlichen Bestätigung).

Freistellung für die Begleitung von Kindern unter zehn Jahren bei einem Spitalsaufenthalt

Ein Anspruch auf eine Pflegefreistellung besteht aber nicht nur im Fall einer Erkrankung eines nahen Angehörigen, sondern auch für die Begleitung von Kindern unter zehn Jahren bei einem Spitalsaufenthalt. Auch die Begleitungsfreistellung kann von Stiefeltern beansprucht werden, wenn sie mit dem Kind des Ehepartners oder Lebensgefährten in einem gemeinsamen Haushalt leben. Außerdem besteht ein Anspruch auf Betreuungsfreistellung, wenn der hauptbetreuende Elternteil oder eine andere Person, die das Kind ständig betreut, aus wichtigen Gründen (etwa einer schweren Erkrankung oder eines Spitalsaufenthalts) ausfällt und man das Kind daher selbst betreuen muss. Ständige Betreuungsperson kann nicht nur der Elternteil, sondern auch ein Großelternteil oder eine Tagesmutter sein, sofern diese das Kind regelmäßig betreuen und es nicht laufend zu einem Wechsel der Betreuungsperson kommt.

Wie lange kann ich für die Pflege eines Angehörigen freigestellt werden?

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer insgesamt maximal eine Woche pro Jahr Anspruch auf eine Pflegefreistellung (oder Betreuungsfreistellung), und zwar im Ausmaß der wöchentlichen Arbeitszeit. Bei einer 38,5-Stunden-Woche hat man also Anspruch auf 38,5 Stunden Pflegeurlaub. Die Pflegefreistellung kann bei Bedarf auch tage- oder sogar stundenweise genommen werden. Wenn die erste Woche verbraucht ist und ein Kind unter zwölf Jahren neuerlich erkrankt, besteht die Möglichkeit, eine zweite Woche zu nehmen. Ist auch diese zweite Woche verbraucht und wird das Kind nochmals krank, kann man entweder eine unbezahlte Freistellung (Pflegeurlaub) verlangen oder einseitig ohne Zustimmung des Arbeitgebers Urlaub nehmen, sofern man noch einen offenen Urlaubsanspruch hat. Dies muss dem Arbeitgeber aber sofort mitgeteilt werden.

Bei längeren Krankheiten: Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit

Zudem besteht die Möglichkeit, mit dem Arbeitgeber eine Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit zu vereinbaren, sofern das Arbeitsverhältnis schon mindestens drei Monate aufrecht ist. Die Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit kann für eine Dauer von ein bis drei Monaten in Anspruch genommen werden. Während der Pflegekarenz bekommt man Pflegekarenzgeld in Höhe des Arbeitslosengeldes (55 Prozent des Nettoeinkommens). In Pflegeteilzeit steht Pflegekarenzgeld aliquot zu. Im Gegensatz zum Pflegeurlaub besteht allerdings kein Rechtsanspruch auf Pflegekarenz oder Pflegeteilzeit. Der Arbeitgeber muss also zustimmen. (Carmen Thornton, 5.11.2019)

Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Auf derStandard.at/Familienrecht beantwortet sie rechtliche Fragen bezüglich des Familienlebens.
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