Heinz-Christian Strache will erfahren, was auf dem vollständigen Ibiza-Material zu sehen ist

Foto: APA/AFP/Klamar

Sieben Minuten Videoclip haben im Mai gereicht, um die Karriere von Heinz-Christian Strache (FPÖ) zumindest vorerst zu zerstören und die türkis-blaue Regierung zu beenden: Das berüchtigte Ibiza-Video erschütterte die Republik – war darin doch zu sehen, wie Strache und sein damaliger Vize Johann Gudenus im Juli 2017 auf Ibiza über Korruption und Medienbeeinflussung fantasieren.

Strache selbst sah das jedoch nicht so: Die Clips seien manipulativ zusammengeschnitten und rissen seine Aussagen aus dem Zusammenhang, verteidigte sich der frühere Vizekanzler in einem Interview mit dem russischen Propagandasender RT. "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel" weigerten sich jedoch mit Verweis auf medienrechtlich heikle Stellen in dem Video, das gesamte, mehrere Stunden lange Material herauszugeben. Publik werden sollten nur Stellen von höchstem öffentlichem Interesse.

Deshalb hat Strache offenbar versucht, anderweitig an die Ibiza-Aufnahme zu kommen. Mehrere Quellen bestätigen dem STANDARD und der "Presse", dass Strache beziehungsweise dessen Umfeld bereit gewesen sei, eine sechsstellige Summe für den Kauf des Videos hinzulegen. Über diverse Kanäle wurde dieses Angebot an die Hintermänner des Ibiza-Clips herangetragen, allerdings erfolglos. Das geht aus elektronischer Kommunikation hervor, die STANDARD und "Presse" einsehen konnten.

Strache-Anwalt: Wollen Material von "SZ"/"Spiegel"

Strache selbst dementiert das über seinen Anwalt. Zwar bestehe "seit der erstmaligen Veröffentlichung des Ibiza-Videos seitens meines Mandanten ein erhebliches und nachvollziehbares Interesse, das gesamte Video-Rohmaterial zu sichten", allerdings soll "zu keinem Zeitpunkt Geld für die Herausgabe des Videos angeboten" worden sein. Vielmehr versucht Strache laut seinem Anwalt, das Material über ein zivilrechtliches Verfahren von "SZ" und "Spiegel" zu erlangen – bislang ebenso erfolglos, da sich die renommierten Medien auf den Quellenschutz berufen.

Auch die Staatsanwaltschaft verfügt offenbar nicht über das Material, obwohl bereits vor dem Einleiten offizieller Ermittlungen eine Weisung erfolgte, dieses zu beschaffen. Aber auch bei einer Hausdurchsuchung beim beschuldigten Anwalt M. wurde keine Kopie des Clips gefunden – das behauptet zumindest M. in einem Schriftsatz.

M. war in die Anbahnung des Treffens auf Ibiza involviert gewesen, hatte etwa an Treffen zwischen Gudenus und dem Lockvogel, einer falschen Oligarchennichte, teilgenommen. Er bezeichnete das Video als ein "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativjournalistische Wege beschritten" worden seien – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Allerdings soll M. versucht haben, das Video und andere belastende Materialien zu verkaufen, die wohl einst von Straches Ex-Bodyguard R. gesammelt worden waren. Auch gegen R. wird ermittelt, er soll im September nach einer kurzzeitigen Festnahme eine "umfassende Lebensbeichte" bei der Soko Ibiza abgelegt haben – was für Strache wohl nichts Gutes bedeutet. Dabei geht es um angeblich gefälschte Spesenrechnungen, die R. für Strache und seine Ehefrau Philippa gelegt hat. Wie berichtet sollen die beiden einst bei der FPÖ Spesen in bis zu fünfstelliger Höhe abrechnen haben können. Deshalb wird gegen das Ehepaar Strache wegen Verdachts auf Untreue ermittelt.

Die Suche nach dem Video geht für Strache und die Soko Ibiza jedenfalls weiter. Ersterer sah sich immerhin durch ein Buch der Ibiza-Aufdecker Bastian Obermayer und Frederik Obermaier entlastet. Das sehen die beiden Autoren anders: Fakt sei, dass Strache "stundenlang sitzen geblieben" sei, als es um Korruption ging, so Obermaier zu "Profil". (Fabian Schmid, 4.11.2019)