John Bercow wird fehlen.

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Wäre das Brexit-Drama eine Fernsehserie, John Bercow hätte den Publikumsliebling abgegeben. Episode um Episode verwandelte der kleine Mann mit der lauten Stimme die sonst oft drögen Debatten im britischen Unterhaus in einen Straßenfeger. Von Feuerland bis Spitzbergen hingen Millionen dem bekanntesten Parlamentspräsidenten der Welt per Livestream an den Lippen. Nun, wo für Bercow die Klappe gefallen ist, zeichnen sich die riesenhaften Fußstapfen ab, die er als Speaker hinterlässt.

Denn der Konservative hat in seinen zehn Jahren im Amt nicht nur in Sachen Publicity neue Maßstäbe in der altehrwürdigen Kammer gesetzt. Der neue Speaker muss sich an dem Bestemm Bercows messen lassen, die Volksvertreter gegen eine zunehmend autoritäre Regierung zu Wort kommen zu lassen. Unter seiner Ägide mussten Premierminister nicht wie früher dreißig Minuten, sondern eine ganze Stunde den "honorable friends" Rede und Antwort stehen. Selbst der letzte Hinterbänkler konnte sich auf Bercows sonore Ordnungsrufe verlassen, wenn ein Minister ihm den Mund verbieten wollte.

Ob Bercows Erbe mit ebensolchem Selbstbewusstsein ans Werk geht, steht in den Sternen. Wie – ein möglicherweise bald mit satter Mehrheit ausgestatteter – Boris Johnson mit dem Parlament umspringt, jetzt, wo sein Gegenspieler Bercow weg ist, mag man sich gar nicht ausmalen. (Florian Niederndorfer, 4.11.2019)